Kata(r)strophe? - Die Skandal-WM 2022

Diesen Sonntag startet die WM und deshalb soll es in diesem Bericht um die FIFA
Fußballweltmeisterschaft 2022 in Katar gehen. Die WM steht praktisch dauerhaft
in der Kritik, doch warum eigentlich? Wir arbeiten alles von der Vergabe bis
zum heutigen Tag auf. Dabei geht es um Menschenrechtsverletzungen, um Korruption, den Zeitpunkt,
den Ablauf und die Nachhaltigkeit des Turniers.
Kapitel 1: Politik und Sport, geht das?
Viele Sportfans flippen jetzt schon aus und schreien in ihr Handy, dass Sport und Politik getrennt bleiben sollen und nichts miteinander zu tun haben dürfen. Diese Meinung gibt es in der ganzen Bevölkerung, schon 2008 sprachen sich 78% der befragten Personen dafür aus, Sport und Politik getrennt zu lassen. Bei einer Umfrage aus dem Januar 2020, lehnen es 24% eher ab. dass sich Profisportler*innen bei Sportwettkämpfen politisch positionieren, 19% lehnen es voll und ganz ab. 21% Befürworten es und 30% sind unsicher oder wollten keine Angabe machen. Doch waren Sport und Politik jemals getrennt? Schauen wir mal zurück, schon die antiken Olympischen Spiele waren ein Forum für politische Verhandlungen und gemeinsame Initiativen der griechischen Stadtstaaten. Wenn man in der Geschichte weiter bis zum heutigen Tag durchgeht, findet man viele weitere Beispiele für politische Sportereignisse, zum Beispiel die Olympischen Spiele 2008 und die Winterspiele 2022, die WM 2018 und nun mal die WM 2022 in Katar. In den 1970er und 80er Jahren kam es öfters zu Boykotten von Olympischen Spielen von Staaten aufgrund des Kalten Krieges. Gegenüber SWR3 sagte die Fußball-Moderatorenlegende Tom Bartels: "Um Menschenrechte wird es immer gehen, da gibt es keine Pause, nur weil ein Fußballturnier gespielt wird". Auch Professor Carlo Masala, Berater des Bundesverteidigungsministeriums, sagt, dass es "Bullshit" sei, dass Sport nur Sport sei, denn "Sport ist immer politisch". Sport wird durch politische Ereignisse und Aktionen geprägt und wir gehen jetzt mal einige wenige gemeinsam durch.
Sebastian Vettel in Ungarn
Rennfahrer Sebastian Vettel demonstrierte beim Großen Preis von Ungarn am 1. August 2021 in Budapest gegen ein neues Gesetz, welches Trans- und Homosexuelle stark diskriminieren würde. Trotz eines Verbotes trug er während der ungarischen Nationalhymne ein T-Shirt in Regenbogenfarben mit der Aufschrift "Same Love" und kniete nieder. Zudem waren auf dem Rennhelm, seinem Mundschutz und seinen weißen Turnschuhen ebenfalls die Regenbogenfarben abgedruckt. Später wurde er deshalb von den Sportkommissaren verwarnt. Als noch über eine Disqualifikation nachgedacht wurde, sagte Vettel in einem Interview: "Ich kann damit leben, wenn sie mich disqualifizieren. Sie können mit mir machen, was sie wollen, das kümmert mich nicht. Ich würde es wieder machen." Er wollte damit Solidarität mit den queeren Menschen in Ungarn zeigen, welche stark unter den neuen Gesetzen von Ministerpräsident Orban leiden. In einem anderen Interview sagte Vettel: "Homophobie ist ein Vorurteil und Vorurteile sind falsch. So einfach ist das."
Die EM 2020
Bei der paneuropäisch ausgetragenen Europameisterschaft gab es viele politische Aktionen. Die ukrainische Nationalmannschaft trat mit einem Trikot an, auf dem der Umriss des Landes abgebildet war und dabei auch die von Russland im Jahr 2014 annektierte Halbinsel Krim abgebildet. Spieler, Trainer und Schiedsrichter knieten nieder, um ein Zeichen gegen Rassismus zu setzen. Der Kapitän der deutschen Nationalmannschaft Manuel Neuer trug während der Spiele eine Regenbogen-Kapitänsbinde, um ein Zeichen für Offenheit, Toleranz und Diversität zu setzen. Auch der englische Kapitän Harry Kane trug danach eine Regenbogenbinde während des restlichen Turniers. Die UEFA ermittelte deshalb gegen Neuer und den DFB, stellte die Ermittlungen jedoch schnell wieder ein, weil man die Binde als "good cause" ansah, also einen guten Grund, die Statuten der UEFA zu missachten. Also hatte man eher ein Problem mit einer Regenbogenarmbinde, als Spiele in Autokratien wie Ungarn, Aserbaidschan und Russland austragen zu lassen. Alles wurde von der UEFA geduldet. Als Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) die Münchner Allianz Arena beim Spiel von Deutschland gegen Ungarn in Regenbogenfarben erstrahlen lassen wollte, war es der UEFA zu viel, obwohl auch viele Fans und Spieler wie Leon Goretzka die Aktion begrüßt hätten. Die UEFA lehnte den Antrag von Reiter mit dem Verweis auf ihre "politische Neutralität" ab, weil die Aktion auf das Gesetz Ungarns abzielte, gegen welches später auch Vettel protestierte. Und das, obwohl die UEFA die Euro 2020 in einem Tweet als "Turnier für alle" mit einem Regenbogen ankündigte und meinte, dass man darauf sehr stolz sei. Trotz des Regenbogen-Verbotes, blieb der ungarische Ministerpräsident Orban dem Spiel dann doch lieber fern, daraufhin wurden die Kommentare seiner Instagram-Beiträge mit Regenbogen geflutet. Ebenso untersagte die UEFA den Plan von VW, die Bandenwerbung im Stadion in Baku (Aserbaidschan) und Sankt Petersburg (Russland) in Regenbogenfarben zu färben. Journalist Tilo Jung schrieb dazu auf Twitter: "Der UEFA geht´s bei #Regenbogenfarben nicht um Ungarn oder Orban, sondern um ihre Sponsoren: Die Top-Financiers der EM kommen aus Russland (Gazprom), China (Vivo, Hisense, Alipay) und der arabischen Welt (Qatar Airways). Homophobie gehört dort zum Markenkern und muss es bleiben." Doch die UEFA rechnete nicht mit dem Protest, der ihr aus Europa entgegenkam. Marken änderten ihr Logo, Gebäude erleuchteten in Regenbogenfarben und vor der Allianz Arena wurden Regenbogenflaggen verteilt. Eine Übersicht verschiedener Protestaktionen hab ich euch im Quellendokument verlinkt. Als Reaktion auf die Proteste präsentierte die UEFA einige Tage später auch ihr Logo in Regenbogenfarben. Diese Aktion war zu diesem Zeitpunkt aber wirklich unglaubwürdig. Der deutsche Lesben- und Schwulenverband sagte zum Verbot der Regenbogenfarben: "Das Verbot einer Allianz Arena in Regenbogenfarben zeigt, dass die Beteuerungen der UEFA, für Respekt, Vielfalt und Menschenrechte einzutreten, nur inhaltsleere Phrasen sind. Wenn es drauf ankommt, stellt sie sich lieber auf die Seite von antidemokratischen und autoritären Politikern wie Orban."
Die Olympischen Spiele 1968
Bei der Siegerehrung des 200-Meter-Laufs bei den Olympischen Sommerspielen 1968 in Mexiko-Stadt in Mexiko streckten die US-amerikanischen Läufer Tommie Smith und John Carlos ihre geballten Fäuste in den Himmel, um ein Zeichen gegen rassistische Diskriminierungen in den USA zu setzen (OPHR). Zudem trugen sie das Zeichen des "Olympic Project for Human Rights". Als Folge wurden sie aus dem olympischen Dorf verbannt und mussten das amerikanische Olympiateam verlassen. Doch andere Sportler*innen zeigten sich solidarisch mit den beiden. Weitere Sportler*innen trugen das OPHR-Zeichen, einer riss sich bei der Siegerehrung das amerikanische Emblem vom Trikot, weitere gingen ebenfalls mit erhobenen Fäusten zur Siegerehrung. In der Presse wurden Smith und Carlos stark beschimpft und die Faust wurde mit dem Hitlergruß gleichgesetzt. Der australische Läufer Peter Norman, welcher sich auch an den Protesten beteiligte, wurde in Australien von der Presse und Öffentlichkeit stark angegangen und zu den Spielen 1972 in München wurde er nicht mehr nominiert, obwohl seine sportlichen Leistungen dafürsprachen.
Confed-Cup 2013 und WM 2014
Die Hoffnung war klar: Man hoffte, dass durch die WM in Brasilien der Tourismus angekurbelt wird und damit auch der Wirtschaft zugutekomme. Dafür wurde auch ordentlich investiert, zum Beispiel in die Infrastruktur, Stadien und die Innenstädte. Das war am Schluss auch das Problem: Das Land litt unter den Investitionen und es wurde stark dagegen protestiert. Schon während der "Generalprobe" 2013, dem Confed Cup, gab es Proteste und der Ausgangspunkt war eine Preiserhöhung im öffentlichen Nahverkehr. Die Proteste breiteten sich wie ein Flächenbrand über Brasilien aus. Es wurde gegen Korruption, die Preiserhöhung im Nahverkehr und die steigenden Lebensmittelpreise im Land demonstriert. Erst nachdem die Regierung Zugeständnisse gemacht hatte, klangen die Proteste ab.
Die Olympischen Sommerspiele 2008 und die Winterspiele 2022
2008 durfte die Volksrepublik China erstmals die Olympischen Sommerspiele austragen und auch dort hatte man die Hoffnung, dass es durch die Spiele einen Wandel geben würde. Doch schon während der Spiele wurde ein Aufstand tibetischer Mönche in Nepal brutal niedergeschlagen. Und danach gab es auch keinen Wandel. Die chinesische Diktatur baute seine Macht sogar aus: Demokratiebewegungen, wie zum Beispiel in Hongkong, werden niedergeschlagen, Journalist*innen, Menschenrechtler*innen, Wissenschaftler*innen werden festgenommen, die uigurische Minderheit wird in Umerziehungslager gesteckt, in welchen Menschen umgebracht, gefoltert und vergewaltigt werden. Hongkong wurde in den letzten Jahren immer mehr von China einverleibt. Man strebt weltweit nach immer mehr Macht und zeigt dies auch immer wieder, zum Beispiel mit Kriegsdrohungen gegenüber Taiwan und militärischer Aufrüstung. Wenzel Michalski, der Direktor von Human Rights Watch sagte dazu "Also diejenigen, die erhofft hatten, dass durch die Olympischen Sommerspiele 2008 in China, sich die Situation für die Menschen dort verbessert, die waren entweder naiv oder sie waren einfach schlichtweg dumm oder zynisch. Denn das ist nicht passiert, im Gegenteil, die Menschenrechtssituation hat sich eklatant verschlechtert." Trotzdem durfte China dieses Jahr auch die Olympischen Winterspiele austragen und Peking wurde somit zur ersten Stadt, die sowohl Winter- als auch Sommerspiele austragen durfte. Doch die Hoffnung, dass diese Spiele einen Wandel bringen würden, ist praktisch erloschen. China bewarb die Winterspiele immer wieder als nachhaltig, jedoch liefen die Schneekanonen auf Hochtouren, weil es in der Region so gut wie nie schneit und auch sehr wasserarm ist. Dazu wurde noch ein komplettes Dorf plattgemacht. Es wurde ein Turnier der Superlative. So kostete nur die Bobbahn, die längste Bahn der Welt, allein knapp 2,3 Milliarden. 2.300.000.000 für eine Bahn, die nach den Spielen wohl kaum noch genutzt werden wird. Für eben diese Bahn wurde auch ein Naturschutzgebiet verkleinert. Die Boykottrufe wurden vor und während des Turniers immer lauter, vor allem wegen der politischen Lage und der Corona-Strategie von China. So beschlossen einige Nationen einen diplomatischen Boykott der Spiele, also keine Regierungsvertreter zu den Olympischen Spielen zu schicken, zu diesen Ländern gehören unter anderem Indien, die USA und Japan. Dazu ist auch die Pressefreiheit in China stark eingeschränkt, während Olympia konnten die ausländischen Medien nur sehr stark eingeschränkt berichten. Schon vor den Spielen sagte der Vorsitzende der China-Delegation im Europäischen Parlament, Reinhard Bütikhofer am 26. August 2021: "Das was Peking da inszeniert, wird eine Propagandaschau werden für ein autoritäres System, das sich immer mehr in Richtung Totalitarismus zurückentwickelt. Die Augen davor zu verschließen und so zu tun, als wäre das nicht politisch, das ist unrealistisch, unredlich und unehrenhaft [...]. Xi Jinping sieht die Spiele als internationale Bestätigung für seine repressive Politik, einschließlich der Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Xinjiang. Das IOC kann also nicht so tun, als ob dies nicht der Fall wäre." Im Nachhinein fanden in Umfragen 66 % der Deutschen die Olympia-Vergabe 2022 an China falsch.
Olympische Winterspiele 2014 und WM 2018
Auch die Turniere in Russland sind schnell abgehakt: Die WM kostete Russland über 11 Milliarden Euro und die Olympischen Winterspiele in Sotschi 2014 kosteten statt der geplanten 12 knapp 50,8 Milliarden US-Dollar. Den Wandel gab es aber seit 2014 auch nicht, im Gegenteil, die Lage verschlimmerte sich. Putin kann durch eine Verfassungsänderung noch Jahre legal an der Macht bleiben, queere Menschen leben weiterhin in Angst und die russische Bevölkerung verarmt. Dieses Jahr begann Diktator Wladimir Putin auch noch einen blutigen Krieg gegen den Nachbarstaat Ukraine.
Olympische Sommerspiele 1972 in München
Bei den Sommerspielen 1972 stand der Sport sogar nur im Hintergrund. Am 5. September 1972 gab es einen Terrorakt gegen das israelische Olympiateam. Die palästinensische Gruppe "Schwarzer September" überfiel das israelische Wohnquartier, ermordete zwei Sportler und nahm neun weitere als Geiseln. Nach Stunden der Verhandlungen ließ man die Geiselnehmer mit einem Bus zum Fliegerhorst Fürstenfeldbruck fahren, wovon sie mit den Geiseln nach Kairo fliegen wollten. Um 22:38 Uhr erteilte der bayerische Innenminister Bruno Merk auf dem Fliegerhorst den Befehl, das Feuer auf die Geiselnehmer zu eröffnen. Alle neun Geiseln, ein Polizist und fünf der acht Geiselnehmer wurden getötet. Am Nachmittag des 5. September waren die Spiele, nach Protest von Zuschauern und Teilnehmern, unterbrochen worden. Am 12. Tag der Spiele fand im Münchner Olympiastadion eine Trauerfeier statt. An diesem Tag wurden die Worte "The games must go on" von IOC-Präsident Brundage berühmt.
Olympische Sommer- und Winterspiele 1936
Jetzt folgen zwei krassere Beispiele. Im Februar 1936 durfte Garmisch-Partenkirchen die Olympischen Winterspiele austragen. Damals wurde Deutschland bereits seit drei Jahren von der NSDAP regiert, welche gerade dabei war, eine Diktatur aufzubauen. Man lockte über 100.000 Zuschauer nach Bayern. Im Sommer fanden dann auch noch die Olympischen Sommerspiele in Berlin statt. Und genau um diese Sommerspiele soll es gehen. Die Nazis nutzen die Spiele, um sich in Szene zu setzen. Antisemitische Parolen werden entfernt, es gab gigantische Massenaufmärsche, Hakenkreuz-Flaggen zieren die Straßen, der Fackellauf wurde erfunden und das neu gebaute Olympiastadion in Berlin wurde von Gästen aus aller Welt bewundert. Man konnte sich perfekt also inszenieren. Nazi-Starregisseurin Leni Riefenstahl produzierte zwei sehr aufwendige Filme über die Olympiade. Auch die beiden Filme sind geprägt von der Propaganda, so wird bei den Highlights des Hockeyfinales nur das eine Tor der Deutschen gezeigt, obwohl Indien mit 8:1 haushoch gewinnt. Doch auch während der Spiele wurden zum Beispiel Briefe aus dem Olympischen Dorf, welche Kritik enthielten, abgefangen und zerstört. 1940 sollten dann die Olympischen Winterspiele erneut in Garmisch-Partenkirchen ausgetragen werden, fielen aber wegen des von Nazi-Deutschland begonnenen Zweiten Weltkrieges aus. Doch warum durfte Nazi-Deutschland die Spiele überhaupt austragen? Das Olympische Komitee vergab die Spiele schon zu den Zeiten der Weimarer Republik an Deutschland, wovon die Nazis dann profitierten. Der Stellvertreter von Adolf Hitler, Rudolf Heß, sagte dazu in einer Rede: "Dass die Olympischen Spiele überhaupt nach Deutschland kamen, sind so glückliche Fügungen, dass wir es nicht besser hätten einrichten können, wenn wir selbst das Schicksal zu beeinflussen gehabt hätten. Niemals wären die Olympischen Spiele nach Deutschland gelegt worden, wenn die Abstimmung über ihren Ort stattgefunden hätte, nachdem wir an der Macht waren." Damals wurden vor allem in den USA Rufe nach einem Boykott laut, die Stimmen der Boykott-Gegner, welche eben damit argumentierten, dass die Spiele doch unpolitisch seien, waren deutlich lauter. Die Boykott-Befürworter blieben im Recht.
Sport verbindet Menschen, dient aber immer auch als Bühne für Protest und Politik. Immerhin sind in den Top 10 der ewigen Liste der Einschaltquote in Deutschland nur Fußballspiele. Platz 1 geht an das WM-Finale 2014 Deutschland gegen Argentinien mit über 34 Millionen Zuschauern und Platz 2 an das WM-Halbfinale 2014 Brasilien gegen Deutschland mit über 32,5 Millionen. Zudem soll der Sport ja auch Werte, wie Fairplay und Toleranz vermitteln. Im Spitzensport wird der Sport immer mehr zur Nebensache, durch den Kommerz wirkt er in verschiedene Bereiche - von der Wirtschaft und der Kultur nun mal bis in die Politik.
Und von Sportverbänden, Trainer*innen und Sportler*innen wird auch immer mehr erwartet, dass sie sich zu gesellschaftspolitischen Themen, wie Korruption, Rassismus, Menschenrechte, Umweltfragen oder Migration äußern. Und immer mehr Sportler*innen tun das und nutzen ihre Reichweite. Beispiele hierfür sind der SC Freiburg-Trainer Christian Streich, der sich auf Pressekonferenzen gerne zu gesellschaftlichen und politischen Themen äußert, Bayern München-Star Leon Goretzka, der sich stark gegen AfD und rechtes Gedankengut positioniert, der Hamburger Fußballverein FC Sankt Pauli, welcher sich seit Mitte der 80er Jahre gegen Rechtsextremismus engagiert und daher auch schon auf den Werbebanden des Millerntorstadions den Flyerservice Hahn grüßte, welcher über 5 Millionen Werbeflyer der rechtsextremen Partei AfD im Bundestagswahlkampf 2021 sammelte, nur um sie zu schreddern. Auch der American-Football-Spieler Colin Kaepernick ist ein Beispiel. Er kniete während der Nationalhymne der Vereinigten Staaten nieder, um auf Rassismus aufmerksam zu machen und zahlreiche Sportler*innen schlossen sich ihm an, diese Aktion sahen wir vergangenes Jahr auch bei der EM. Der damalige US-Präsident Donald Trump lud kniende Football-Spieler aus dem Weißen Haus aus. Der Freiburger Kapitän Christian Günter sagte in einem Interview mit Sport1: "Aber die Sache fängt schon bei den großen Verbänden UEFA und FIFA an. Denken Sie nur an die EM 2021, als die Allianz Arena nicht in Regenbogenfarben leuchten durfte, weil es angeblich ein politisches Statement sei. Das ist es aber nicht, es ist ein menschliches Statement." Ein Statement, das Solidarität ausdrücke: "Es steht für Vielfalt. Genauso ist es mit Aussagen gegen Rassismus. Solange es homophobe oder rassistische Vorfälle gibt, muss man dagegen aufstehen können, ohne dass jemand sagt: Das ist verboten, das ist zu politisch." Vielen wird auch noch die Aktion der norwegischen und deutschen Nationalmannschaft in Erinnerung sein, bei welcher die beiden Nationalteams mit T-Shirts vor dem Anpfiff ihrer jeweiligen Spiele protestierten. Auf den Shirts stand im norwegischen Fall "human rights on and off the pitch" (Menschenrechte auf und neben dem Platz) und im deutschen Fall die Buchstaben von "humanrights" (Menschenrechte). Die Bedeutung war klar, eine Anspielung auf die Menschenrechtsverletzungen in Katar. Auch die WM in Katar wird definitiv politisch werden. Der DFB kündigte an, dass der Kapitän wieder mit einer Regenbogenbinde auflaufen wird. Im September gab man dann bekannt, dass der Kapitän doch nicht mit einer Regenbogenbinde auflaufen wird, sondern stattdessen mit einer "One Love"-Binde. Diese Binde soll auch von den Kapitänen der Nationalmannschaften England, der Niederlande, Belgien, Schweiz, Wales, Frankreich, Dänemark, Norwegen (nicht qualifiziert) und Schweden (nicht qualifiziert) getragen werden. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch kritisiert diese Binde als "reine Symbolpolitik". Auch Nationalspieler Robin Gosens kündigte für den Fall, dass er nominiert wird, politische Aktionen an: "Wir wissen, dass die ganze Welt zuschaut und es sowieso eine politische WM wird. Warum nutzen wir nicht diese Plattform, um auf die Missstände aufmerksam zu machen? Klar, man kann erst gar nicht hinfahren und damit ein Zeichen setzen. Man kann aber auch diesen einen Monat nutzen, um Botschaften zu senden." Nominiert wurde Gosens für die WM letztendlich aber nicht. Laut einer Umfrage von Kantar finden 52 % der befragten Deutschen, die WM sollte zumindest von deutscher Seite aus, diplomatisch boykottiert werden. Und nun soll es auch endlich mal um Katar gehen.
Kapitel 2: Katar im Allgemeinen
Kommen wir erst einmal zu den allgemeinen Fakten über Katar.
Das Emirat Katar liegt in Asien, genauer gesagt auf der Arabischen Halbinsel. Das Land grenzt nur an Saudi-Arabien und ist selbst eine Halbinsel am Persischen Golf. Von Süden nach Norden erstreckt sich das Land über 180 Kilometer und von Osten nach Westen 80 Kilometer. Mit einer Fläche von 11.627 Quadratkilometern, ist Katar etwas größer als der US-Bundesstaat Hawaii (10.433 km²), aber deutlich kleiner als Montenegro (13.812 km²) und Schleswig-Holstein (15.799 km²) und etwa halb so groß wie Hessen (21.115 km²).
Das Emirat erlangte am 3. September 1971 seine Unabhängigkeit vom britischen Königreich, nachdem es seit 1868 zum britischen Herrschaftsgebiet gehört hatte. Die Hauptstadt ist Doha mit rund 587.000 Einwohner*innen (Stand 2015). Katar hat 2,7 Millionen Einwohner*innen und liegt somit auf Platz 139 vor Botswana und hinter Gambia. Katar liegt etwa gleichauf mit Schleswig-Holstein (2,91 Millionen) und der portugiesischen Hauptstadt Lissabon (2,88 Millionen). Rund 1800 der Einwohner*innen sind Deutsche. Im Jahr 1950 lag die Bevölkerung noch bei etwa 50.000 Einwohner. Von den 2,7 Millionen Einwohner*innen Katars, haben nur 270.000 die katarische Staatsbürgerschaft, die anderen rund 2,4 Millionen sind Gastarbeiter*innen. Katar hat somit die höchste Quote von Arbeitsimmigrant*innen der Welt. Wenn man nur die katarischen Staatsbürger*innen zählt, hätte Katar nur ungefähr so viele Einwohner, wie das hessische Wiesbaden (ca. 278.000). Doch diese wenigen leben in Katar besonders gut. Als katarische*r Staatsbürger*in musst du kein Wasser und auch keinen Strom zahlen, auch der Arztbesuch kostet dich nichts. Zudem wird dir ein Arbeitsplatz garantiert, weshalb die Arbeitslosenquote auch stabil bei 0 % liegt.
Katar ist ein sehr flaches Land. Der höchste Berg ist gerade einmal 103 Meter hoch. Zum Vergleich: Deutschland liegt durchschnittlich 263 Meter über dem Meeresspiegel. Das Land ist größtenteils von Geröll- und Kieswüsten bedeckt, Sandwüsten kommen nur vereinzelt vor. Das Klima in Katar ist ganzjährig schwül und heiß. Da es dort kaum Niederschlag gibt, gehört Katar zu den trockensten Landschaften der Erde. Natürliche Flüsse und Seen gibt es dort auch keine. Im Winter liegt die Durchschnittstemperatur bei 17 °C, im Sommer hingegen sind Temperaturen von über 50 °C keine Seltenheit.
Katar ist auf Platz 1 beim kaufkraftbereinigten Bruttoinlandsprodukt pro Kopf mit 96.607 $, Deutschland zum Vergleich liegt mit 54.551 $ pro Kopf nur auf Platz 18. Auf Platz eins liegt Katar beim CO²-Ausstoß pro Kopf. Mit 30,68 Tonnen Kohlenstoffdioxid-Ausstoß pro Kopf liegt es deutlich vor den Vereinten Arabischen Emiraten (18,22 Tonnen) und Kanada (15,19 Tonnen), Deutschland liegt mit 7,75 Tonnen pro Kopf auf Platz 11.
Katar ist wie der Großteil der arabischen Welt muslimisch geprägt, welche auch die Staatsreligion ist. Zwei Drittel der Bevölkerung Katars ist muslimisch. Katar ist eine absolute Monarchie und das Staatsoberhaupt des Landes ist der Emir Scheich Tamim bin Hamad ath-Thani. Parteien und ein Parlament gibt es dort nicht. Die Gesetze des Landes sind stark durch den Islam geprägt und orientieren sich an der Scharia, so sind zum Beispiel homosexuelle Handlungen und nichtehelicher Geschlechtsverkehr verboten und werden strafrechtlich geahndet, davor warnt auch das deutsche Auswärtige Amt, bei Reisen nach Katar. Als sich norwegische Journalisten als ein schwules Paar ausgaben und versuchten, ein Hotel für die WM zu buchen, wurden sie nicht überall willkommen geheißen. Von den 69 angefragten Hotels, wurden sie in 3 direkt abgelehnt, 20 äußerten Bedenken und wollten zum Teil vorschreiben, nicht nach außen homosexuell zu sein. 13 Hotels antworteten erst gar nicht oder standen zu dem Zeitpunkt, nur als Quarantäne-Hotels zur Verfügung. 33 Hotels hatten hingegen keine Bedenken.
Für den außerehelichen Geschlechtsverkehr kann man in Katar für bis zu 7 Jahre in den Knast wandern. Dies soll auch für die Tourist*innen während der WM gelten. Ebenso sind Alkoholkonsum, Rauchen und der Austausch von Zärtlichkeiten in der Öffentlichkeit verboten. Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist stark eingeschränkt, vor allem in Bezug auf den Islam, ebenso ist die Versammlungsfreiheit eingeschränkt. Diese sowieso schon kaum vorhandene Freiheit, wurde im Januar 2020 noch stärker eingeschränkt. Es kam wegen Blasphemie zu Haftstrafen von bis zu 7 Jahren. Auch Frauenrechte sind in Katar Mangelware, Männer werden durch Gesetze grundsätzlich bevorzugt. Im Gleichstellungsindex des World Economic Forum von 2021 liegt Katar auf Platz 142 von 156 hinter Vanuatu und vor Kuwait, Deutschland belegt Platz 11. Im Vergleich zu 2020 ist Katar sogar sieben Plätze abgerutscht. Es gibt kaum Schutz für Frauen bei häuslicher Gewalt und Scheidungen, bei Entschädigungszahlungen werden Männer bevorteilt und Frauen dürfen erst ab einem Alter von 25 Jahren Verträge, ohne die Erlaubnis ihres männlichen Vormundes, unterschreiben und in manchen Berufen auch nicht ohne Erlaubnis arbeiten. Ein gutes Beispiel für die Bevorteilung von Männern in Katar ist eine Niederländerin, die in Katar vergewaltigt wurde. Als sie dies zur Anzeige brachte, wurde sie wegen außerehelichem Geschlechtsverkehr für drei Monate ins Gefängnis gesperrt. Auch eine mexikanische WM-Mitarbeiterin wurde in Katar vergewaltigt und zeigte dies im Juni 2021 an. Weil der mutmaßliche Täter aber behauptete, er wäre in einer Beziehung mit der Mexikanerin, wurde sie wegen außerehelichem Geschlechtsverkehr angeklagt und sollte 100 Peitschenhiebe und sieben Jahre Haft bekommen. Nachdem der Fall international für Aufsehen gesorgt hatte, wurde die Anklage fallen gelassen und sie durfte aus Katar ausreisen. Die Bestrafungen in Katar sind unmenschlich. Die Todesstrafe wurde dort nach 20 Jahren Pause im April 2020 erstmals wieder angewandt und auch Peitschenhiebe sind ein Strafmaß, zum Beispiel für Alkoholkonsum, Unzucht, Diebstahl, Verleumdung oder auch Ehebruch. Bei der Pressefreiheitsrangliste von Reporter ohne Grenzen aus dem Jahr 2022 landet Katar auf Rang 119 von 180 hinter Kamerun und vor Jordanien, Norwegen belegt Platz 1, Deutschland Platz 16. "Parteiische" Radio- und Fernsehsendungen werden zum Beispiel mit bis zu 5 Jahren Haft und einer Geldstrafe von umgerechnet über 20.000 € bestraft. Die Presse wird von der Regierung vorab zensiert. Nun wurden vor der WM die Presserechte nochmal mehr eingeschränkt. So dürfen Pressevertreter*innen weder in privaten Firmen, Wohnungen von Einheimischen, Regierungsgebäuden, Krankenhäusern, Baustellen, Universitäten, noch in Kirchen filmen oder fotografieren werden. Auch einheimische Frauen sollen nicht gefilmt werden, Kritiker*innen vermuten, dass durch diese Verbote verhindert werden soll, dass man die Zustände in Katar offen und ehrlich beleuchten könne. Wer diesen Regeln nicht zustimmt, darf aus Katar gar nicht über die WM berichten. Ein ähnliches Konzept gab es dieses Jahr schon bei den Olympischen Winterspielen in China. Der Moderator der ZDF heute-show, Oliver Welke, sagte dazu, ihm wäre es lieber, wenn man die WM-Spiele nicht filmen dürfte.
Genauso schlimm sieht es beim Arbeitsrecht in Katar aus. Das hat sich in den letzten Jahren zwar etwas gebessert, ist aber weiterhin katastrophal. Arbeitsmigrant*innen, also Arbeitskräfte aus dem Ausland, dürfen keine Gewerkschaften gründen. Arbeitsmigrant*innen, die als Hausangestellte arbeiten, werden häufig ausgebeutet und missbraucht. Pässe werden illegaler Weise konfisziert, Ruhezeiten werden verweigert, ebenso freie Tage. Tägliche Arbeitszeiten von 16 Stunden sind keine Seltenheit.
Zu der Lage der Menschenrechte beim Stadionbau zur WM kommen wir noch. Kommen wir jetzt erstmal zum Fußball in Katar.
Kapitel 3: Fußball in Katar
In Katar gibt es seit 1963 eine Fußballliga und nur in der Saison 1974/75 gab es keinen Meister. Die Liga heißt "Qatar Stars League" und besteht aus 12 Mannschaften. Der Rekordmeister ist der Verein "Al-Sadd SC" mit aktuell 16 Titeln.
Der Marktwert der gesamten Liga beträgt laut transfermarkt.de 151,35 Millionen Euro und liegt damit ungefähr auf einer Linie mit der ersten Liga aus Zypern (156,17 Mio.), Norwegen (158,60 Mio.), Ecuador (155,25 Mio.), Ägypten (157,35 Mio.) oder der ersten südkoreanischen Liga (155,35 Mio.). Zum Vergleich: Die erste und zweite Bundesliga aus Deutschland (4,09 Milliarden/355,03 Mio.), die erste Bundesliga aus Österreich (380,35 Mio.) und die erste Liga der Schweiz (256,65 Mio.) liegen deutlich vor der ersten Liga aus Katar. Die zweite Liga aus Österreich (76,63 Mio.), und der Schweiz (59,88 Mio.) und die dritte Liga aus Deutschland (126,59 Mio.) liegen hingegen hinter der katarischen ersten Liga.
Der Marktwert der Liga wird berechnet aus allen Marktwerten der Spieler, die in der Liga spielen. Also schauen wir uns als Nächstes die Spieler an, die in Katar spielen. 76 von 395 (19,2 %) sind aus dem Ausland. Der durchschnittliche Marktwert der Spieler liegt bei 383.000 Euro. Der ehemalige FC Barcelona-Spieler Rafinha ist mit 9 Millionen Euro Marktwert, der teuerste Spieler der Liga. Doch in Katar spielen einige weitere Spieler, die Fußball-Fans bekannt sein sollten, zum Beispiel Javi Martínez (früher FC Bayern München), Yancine Brahimi (früher FC Porto), Steven Nzonzi (früher AS Rom), Andre Ayew (früher West Ham United und Olympique Marseille), Ishak Belfodil (früher Hertha BSC und TSG Hoffenheim) und Santi Cazorla (früher FC Arsenal). Also spielen in Katar ehemalige Weltmeister, Champions League-Sieger, Meister aus verschiedenen Nationen, nationale Pokalsieger, Europameister und Afrikameister. Doch spielen in Katar auch Deutsche Spieler? Die Antwort ist Nein, aktuell nicht. Der letzte war der ehemalige Hertha BSC- und Hamburger SV-Spieler Pierre-Michel Lasogga. Er spielte von Februar 2021 bis Juli 2022 in Katar.
Doch auch schon früher war Katar attraktiv für Fußballer. Darunter sind ehemalige Weltklassespieler wie die Niederländer Frank und Ronald de Boer, der Brasilianer Romario, die Franzosen Frank Lebœuf und Marcel Desailly, der Argentinier Gabriel Batistuta, der Ghanaer Abédi Pelé, der Nigerianer Jay-Jay Okocha, die Spanier Xavi, Fernando Hierro, Raul, Pep Guardiola und die Deutschen Mario Basler und Stefan Effenberg.
Da wir jetzt wissen, wie es in Katar mit dem Liga-Fußball aussieht, wie sieht es mit der katarischen Nationalmannschaft aus?
Katar liegt auf Platz 50 der FIFA-Weltrangliste hinter Irland und vor Saudi-Arabien, Deutschland belegt aktuell Platz 11. Die Nationalmannschaft gibt es seit März 1970, dort fand ihr erstes Spiel statt. Man verlor mit 1:2 gegen Bahrein. Im April 1979 gab es die bisher höchste Niederlage ihrer Geschichte, sie verloren mit 7:0 gegen Saudi-Arabien. 1980 nahm Katar das erste Mal an der Asienmeisterschaft teil. Seither qualifizierten sie sich 10 Mal. Der höchste Sieg gelang im September 2015 mit einem 15:0 gegen Bhutan. Qualifiziert für eine WM, hat sich Katar bisher noch nicht, da sie aber als Gastgeber automatisch qualifiziert sind, werden sie dieses Jahr zum ersten Mal dabei sein. Somit wird die WM 2022 die erste WM seit 1934 in Italien, bei welcher der Gastgeber zuvor noch nie an einer WM teilnahm. Den ersten Titel konnte man 1992 holen, Katar gewann den Golfpokal. Diesen Titel konnte man 2004 und 2014 erneut gewinnen, 2019 gewann man dann noch die Asienmeisterschaft. Was außergewöhnlich ist, ist dass Katar einmal an der Südamerikameisterschaft und einmal an der Nord- und Zentralamerikameisterschaft teilnahm. Katar wurde zu beiden Turnieren als Gastmannschaft eingeladen. Bei der Südamerikameisterschaft 2019 schied man schon in der Gruppenphase aus, bei der Nord- und Zentralamerikameisterschaft 2021 schaffte es Katar immerhin bis in das Halbfinale, wo man 1:0 gegen die USA verlor. Bei letzterem Pokal nahmen aber auch schon Südkorea und Nationen aus Südamerika teil.
Im Gegensatz zu anderen arabischen Staaten, wie Marokko, Algerien, Tunesien oder Ägypten, gibt es in Katar praktisch gar keine Fußballkultur. Dies sagen auch einheimische Kataris. Kamelreiten ist dort deutlich beliebter als Fußball. Aber im Allgemeinen gibt es in Katar kaum Interesse an Sport. Bei Spielen im Liga-Betrieb kommen oft nicht mal 50 Fans ins Stadion. Als FIFA-Chef Infantino in Katar für Stimmung sorgen wollte, sah das so aus:
Wow, was für eine mega Stimmung.
Kapitel 4: Wie wird diese WM
FIFA-Chef Infantino sagte bei der Gruppenauslosung zur WM: "Diese WM wird einfach die beste WM aller Zeiten". Deshalb schauen wir jetzt mal auf den Ablauf der WM.
Das erste Mal in der Geschichte der FIFA-Fußball-Weltmeisterschaft findet eine WM in einem arabischen Land und auch zum ersten Mal in einem muslimischen Land statt. Zudem ist es erst die zweite WM auf dem asiatischen Kontinent, nach der WM 2002 in Japan und Südkorea. Katar ist auch das bisher kleinste Land, das eine Weltmeisterschaft austragen darf. Zudem findet das Turnier zum ersten Mal im Winter statt, natürlich wegen der hohen Temperaturen im Sommer. Es wäre einfach nicht möglich gewesen, die Spiele zu spielen, ohne dass Spieler und Verantwortliche kollabieren. Die Weltmeisterschaft startet deshalb am 20. November 2022 und endet mit dem Finale am vierten Advent, dem 18. Dezember. Dies wird von vielen kritisiert, weil die nationalen Ligen mehr Spiele in kürzerer Zeit veranstalten müssen. Ebenso musste die Dauer der WM angepasst werden, um die Terminkalender nicht komplett zu sprengen. Dadurch, dass wegen der WM auch die Winterpause für die Spieler praktisch wegfällt und der Spielplan im Sommer länger werden muss, fallen Regenerationszeiten für Spieler komplett weg und die Verletzungsgefahr steigt stark an. Besonders trifft dies Spieler, welche in der englischen Premier League spielen, denn dort wird nach dem WM-Finale am 18. Dezember, schon am 26. Dezember in der Liga weitergespielt. Eigentlich sollte diese WM, wie alle anderen auch, im Sommer stattfinden. Katar stellte nämlich Pläne für gigantische Kühlungsanlagen vor, mit denen Stadien und Trainingsgelände von über 40 Grad, auf 20 bis 25 Grad abzukühlen. Diese wurden aber abgelehnt, unter anderem, weil man vor gesundheitlichen Problemen bei den Reisen zwischen den Spielorten Angst hatte und auch wegen ökologischen Gründen.
Teilnehmen werden zum letzten Mal 32 Nationalmannschaften, denn ab der Weltmeisterschaft 2026 in den USA, Mexiko und Kanada werden 48 Teams teilnehmen. Aus dem europäischen Verband dürfen 13 Nationen teilnehmen, 5 aus Afrika, 4 aus Asien und Australien plus der Gastgeber Katar, 4 aus Südamerika und 3 aus der Karibik, Nord- und Mittelamerika. Zudem werden zwei weitere Teilnehmer über interkontinentale Play-offs ausgespielt. Je ein Team aus Ozeanien, Asien/Australien, Südamerika und aus Nord-/Mittelamerika/Karibik nehmen an diesen Spielen teil. Die qualifizierten 32 Mannschaften teilen sich auf in 8 Gruppen mit je 4 Teams. Die jeweils Gruppenersten und -zweiten kommen in das Achtelfinale. Ab hier gilt das Ko-System: Wer gewinnt, ist in der nächsten Runde.
Qualifiziert für die WM haben sich:
Gruppe A: Katar, Ecuador, der Senegal und die Niederlande
Gruppe B: England, der Iran, die USA und Wales
Gruppe C: Argentinien, Saudi-Arabien, Mexiko und Polen
Gruppe D: Frankreich, Dänemark, Tunesien und Australien
Gruppe E: Spanien, Deutschland, Japan und Costa Rica
Gruppe F: Belgien, Kanada, Marokko und Kroatien
Gruppe G: Brasilien, Serbien, die Schweiz und Kamerun
Gruppe H: Portugal, Ghana, Uruguay und Südkorea
Das erste Mal werden die Spiele in nur acht Stadien stattfinden. Normalerweise sind 12 Stadien von der FIFA vorgeschrieben, Katar erhielt aber eine Ausnahmeerlaubnis, weil sonst zu viele neue Stadien gebaut werden hätten müssen.
Das billigste Ticket für ein WM-Gruppenspiel, erhält man für rund 60 Euro und das teuerste verfügbare Ticket, gibt es für das Final-Spiel für umgerechnet 1417 Euro. Zum Vergleich: Bei der WM in Russland 2018 kostete ein Ticket für das Finale zwischen 383 und 925 Euro und für ein Gruppenspiel zwischen 88 und 176 Euro. Für einheimische Kataris gibt es Tickets schon ab umgerechnet 10 Euro. Deutsche Fans können sich aber auch ein Ticket für gleich alle drei Gruppenspiele kaufen, diese sind für 200 Euro aufwärts erhältlich. Wenn man zu den drei Gruppenspielen gleich noch ein Ticket für das Achtelfinale haben möchte, ist dies auch möglich. Erhältlich ist dieses Ticket ab 292 Euro. Ab dem 19. Januar 2022 war es möglich Tickets zu kaufen und innerhalb eines Tages wurden 1,2 Millionen Tickets verkauft. Allein für das Finale wurden 140.000 Stück verkauft, für ein Stadion, das nur 80.000 Plätze hat. Die FIFA verkündete, dass in den ersten 20 Tagen über 17 Millionen Tickets für die WM verkauft wurden, 1,8 Millionen Anfragen gab es wohl für das Finale. 17 Millionen verkaufte Tickets, obwohl bei allen Spielen zusammengerechnet nur knapp 3,1 Millionen Fans ins Stadion könnten.
Die Anstoßzeiten der Gruppenspiele sind 11 Uhr, 14 Uhr, 17 Uhr und 20 Uhr mitteleuropäischer Zeit. Ab der K.o.-Phase wird um 16 und 20 Uhr mitteleuropäischer Zeit gespielt.
Zudem ist neu, dass es dieses Jahr während der gesamten WM in den Stadien ein Alkoholverbot gilt. Aufgrund des allgemeinen Alkoholverbotes in Katar, wird Alkohol auch nicht in Restaurants ausgeschenkt, sondern ist nur an bestimmten Orten erhältlich, nämlich an Orten, an denen nur Ausländer einkaufen dürfen. Auch in Hotels wird Alkohol verkauft, aber die Preise sind extrem hoch. Ein halber Liter Bier kostet dort knapp 15 Euro. Auch in bestimmten Fan-Zonen wird Alkohol ausgeschenkt, dort kostet 0,5 Liter Bier knapp 6 Euro und 0,7 Liter Wein 27 Euro. Dazu will Katar Ausnüchterungszonen für betrunkene Fans schaffen. In diesen Zonen soll, laut WM-Turnier-Geschäftsführer Nasser Al Khater, sichergestellt werden, "dass diese Leute sicher sind und niemandem anderen schaden können". Wie genau diese Zonen aussehen werden, ließ der Turnier-Geschäftsführer offen. Es könnte also alles zwischen 5-Sterne-Hotel und Gefängnis sein.
Apropos Hotels, Katar hat zwar viele neue Hotels bauen lassen, aber sie können immer noch nicht alle Fans unterbringen. Deshalb werden viele Fans in Staaten in der Umgebung untergebracht, zum Beispiel in den Vereinten Arabischen Emiraten und dann mit Flugzeug-Shuttles zu jedem Spiel wieder nach Katar geflogen.
Aufgrund der Corona-Pandemie gilt in den WM-Stadien von Katar die 2G-Regel, also muss man entweder geimpft und genesen sein. Zudem muss man bei der Einreise eine Corona-Warnapp auf sein Smartphone herunterladen, welche nicht nur Zugriff auf den Standort, Bluetooth und WLAN braucht, sondern auch Zugriff auf den gesamten Speicher will. Vor dieser App warnt die Menschenrechtsorganisation Amnesty International, weil sie "menschenrechtlich problematisch bis gefährlich in Bezug auf willkürliche Überwachung und Verletzungen von Privatsphäre sowie Datenschutz" sei. Auch über Sicherheitslücken der App wird berichtet. Anders als die deutsche Corona-Warnapp, übermittelt die katarische Version, alle Daten an einen zentralen Speicherort. So kann man genau nachverfolgen, wohin Personen gehen und wer sich in deren Nähe befindet.
Um zu verhindern, dass Hooligans in den Straßen und Gassen des Landes randaliert, leiht sich Katar bis zu 5000 Polizisten aus der Türkei aus. Zudem ist Katar übersät von Überwachungskameras, auch in den Stadien gibt es Dutzende.
Die Weltmeisterschaft wird in Deutschland von den öffentlich-rechtlichen Sendern ARD und ZDF im Free-TV übertragen, während die Qualifikationsspiele der Nationalmannschaft noch von RTL gezeigt wurden. Zudem werden einige Spiele von der Deutschen Telekom bei MagentaTV gezeigt. ARD und ZDF mussten 214 Millionen Euro für die Übertragungsrechte der WM zahlen.
In den letzten Wochen kamen dann auch noch Vorwürfe auf, Katar würde Menschen bezahlen, um sich als Fans auszugeben und in den Stadien für Stimmung zu sorgen. So will man vermutlich für positive Bilder von der WM produzieren.
Jetzt soll es darum gehen, wie und warum Katar diese WM bekam und austragen darf.
Kapitel 5: Vergabe nach Katar
Während man sich bei der Vergabe von Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen lange auf die OECD-Staaten (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung), zum Beispiel Deutschland, Frankreich, die USA, Großbritannien und die Schweiz, konzentrierte, verlagerte sich die Vergabe seit Anfang des 21. Jahrhunderts mehr auf die BRICS-Staaten, also Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika, wie die olympischen Sommerspiele 2014 und die WM 2016 in Brasilien, die Olympischen Winterspiele 2014 und die WM 2018, die Olympischen Sommerspiele 2008 und Winterspiele 2022 in China und die WM 2010 in Südafrika zeigen. Doch warum verlagerte sich die Vergabe auf diese damaligen aufstrebenden Schwellenländer? Das ist einfach zu beantworten: Der Sportmarkt in den OECD-Staaten gilt als gesättigt und den Märkten in den BRICS-Staaten wird großes Wachstumspotenzial zugeschrieben. Auf Bedenken und Protest der Bevölkerung wird hierbei kaum Rücksicht genommen.
Am 2. Dezember 2010 fand in Zürich in der Schweiz die Bekanntgabe der FIFA statt, wer die Fußball-WM 2018 und wer die 2022 ausrichten darf. Bewerber gab es einige. Kommen wir aber erstmal zum Vergabeverfahren:
2007 stellt die FIFA ein Rotationsverfahren vor, nach welchem die Kontinentalverbände, in denen die letzten beiden Weltmeisterschaften stattfanden, vom Bewerbungsverfahren ausgeschlossen sind. Das heißt, für die WM 2018 war der afrikanische Verband ausgeschlossen, wegen der WM 2010 in Südafrika und der südamerikanische Verband war für die Turniere 2018 und 2022 ausgeschlossen, wegen der WM 2014 in Brasilien.
Also bewarben sich für die WM 2018 aus dem europäischen Verband Portugal und Spanien gemeinsam, ebenso Belgien und die Niederlande gemeinsam, England und Russland jeweils alleine. Aus dem nordamerikanischen Verband bewarb sich die USA und aus dem asiatischen Verband Australien. Beide Länder zogen ihre Bewerbungen aber zurück, weil die Wahrscheinlichkeit, die WM 2018 zu erhalten, zu gering war und konzertierten sich auf die Bewerbung für die WM 2022.
Für die WM 2022 bewarben sich eben Australien und die USA, aber auch Japan, Südkorea und Katar. Bewerbungen gab es auch von Indonesien und Mexiko, beide zogen aber ihre Bewerbungen zurück. Mexiko wegen der ungeklärten Finanzierung und Indonesien, weil nicht alle Unterlagen rechtzeitig eingereicht wurden.
Noch vor der Vergabe, veröffentlichten die Niederlande und Belgien den Vertrag, den alle WM-Gastgeber unterschreiben müssen. In diesem Vertrag steht unter anderem, dass die FIFA sich über die Arbeitsrechtsbestimmungen des jeweiligen Landes hinwegsetzen kann und auch, dass die FIFA vom Zeitpunkt der Vergabe bis zum Ende der WM in dem Land keine Steuern zahlen muss. Aber nicht nur die FIFA muss keine Steuern zahlen, sondern auch die Bauunternehmer, Sponsoren, Franchise-Nehmer und Vertragspartner der FIFA. Das geht sogar so weit, dass die FIFA bei Geschäftsessen keine Mehrwertsteuer zahlen will. Um es mit den Worten von Max Uthoff vom 27. Mai 2014 in der ZDF-Sendung "Die Anstalt" zu sagen: "Milliardenschwere Unternehmen fallen in ein Land ein, graben das Geld ab und die ganzen Kosten walzen sie auf den Steuerzahler ab". Die Niederlande lehnte diese Steuerbefreiung ab.
Abgestimmt über den Austragungsort hat das FIFA-Exekutivkomitee. Dieses besteht aus Sportfunktionären aus aller Welt und ist das höchste Gremium im Fußball. Bei der Abstimmung bestand es aus 22 Mitgliedern. Im Jahr 2016 wurde das FIFA-Exekutivkomitee aufgelöst und durch den FIFA-Rat ersetzt, welcher praktisch genau gleich funktioniert.
Das FIFA-Exekutivkomitee bestand 2010 aus den Mitgliedern:
- 1. Michel D´Hooghe - Belgien
- 2. Marios Lefkaritis - Zypern
- 3. Junji Ogura - Japan
- 4. Ricardo Teixeira - Brasilien
- 5. Chuck Blazer - USA
- 6. Wjatscheslaw Koloskow - Russland
- 7. Slim Chiboub - Tunesien
- 8. Jacques Anouma - Elfenbeinküste
- 9. Worawi Makudi - Thailand
- 10. Senes Erzik - Türkei
- 11. Nicolas Leoz - Paraguay
- 12. Franz Beckenbauer - Deutschland
- 13. Amos Adamu - Nigeria (von der Wahl ausgeschlossen)
- 14. Rafael Salugero - Guatemala
- 15. Mohammed Bin Hammam - Katar
- 16. Reynald Temarii - Tahiti (von der Wahl ausgeschlossen)
- 17. Angel Maria Villar - Spanien
- 18. Chung Mong-joon - Südkorea
- 19. Julio Grondona - Argentinien
- 20. Sepp Blatter - Schweiz
- 21. Jerome Valcke - Frankreich
- 22. Issa Hayatou - Kamerun
- 23. Jack Warner - Trinidad und Tobago
- 24. Michel Platini - Frankreich
- 25. Geoff Thompson - England
Am 2. Dezember 2010 stand dann FIFA-Chef Sepp Blatter vor die anwesenden Gästen und Pressevertreter*innen in Zürich und gab bekannt, dass die WM 2018 an Russland geht und die WM 2022 eben an Katar.
Die britische Zeitung "The Daily Telegraph" schrieb über diese Entscheidung:
«DISGRACE», «DISASTER.» («Schande», «Desaster»)
Und in anderen britischen Zeitungen sah es ähnlich aus. Bemerkenswert ist auch, dass beide Weltmeisterschaften an autokratische und totalitäre Länder gingen.
Von den Mitgliedern des Exekutivkomitees stimmten in der finalen 4. Runde 8 für die USA und 14 für Katar. Ist doch prima, oder? War ja eine demokratische Wahl. Ja, aber schon vor und auch direkt nach der Vergabe an diese beiden Länder, gab es immer mehr Korruptionsvorwürfe und Vorwürfe, dass bei der Abstimmung im FIFA-Exekutivkomitee Stimmen für Katar gekauft wurden. Zum Beispiel im Oktober 2010. Zwei Reporter der britischen Zeitung "Sunday Times" gaben sich als amerikanische Lobbyisten aus und boten zwei Mitgliedern des FIFA-Exekutivkomitees hohen Geldsummen an, damit sie für die WM 2022 in den USA stimmen. Beide Funktionäre stimmten zu und sagten, sie wollten das Geld in Fußball-Infrastruktur stecken.
Ebenso wird dem ehemaligen UEFA-Präsidenten Michel Platini und dem ehemaligen französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy Korruption vorgeworfen. Am 23. November 2010 trafen sich Platini, Sarkozy, Tamim bin Hamad Al Thani, das Staatsoberhaupt von Katar, der Präsident des französischen Hauptstadtclubs Paris Saint-Germain und der katarische Premierminister zu einem Essen im Élysée-Palast in Paris. Am Ende des Essens soll Michel Platini zugesagt haben, nicht wie ursprünglich für die USA zu stimmen, sondern für Katar. Katar soll dafür den Fußballverein Paris Saint-Germain übernehmen und eine TV-Sportkette in Frankreich aufbauen. Im Frühjahr 2011 kaufte "Qatar Sport Investment" dann den Verein PSG auf. Französische Firmen sollen dafür den Zuschlag für den Bau von Fußballstadien erhalten haben. Zudem stieg Laurent Platini, der Sohn von Michel Platini, bei einer Firma ein. Und wo? Richtig, bei "Qatar Sport Investment". Michel Platini bestätigte später, dass er für Katar stimmte und Sepp Blatter sagte dazu in der französischen Zeitung "Le Monde":
"Ohne die Intervention von Sarkozy bei Platini hätte Katar die WM nie gehabt".
Platini wurde am 18. Juni 2019 verhaftet, ihm wurde aktive und passive Korruption vorgeworfen. Mittlerweile wurde er aber schon wieder freigelassen. Anfang Mai des Jahres 2020 kamen Enthüllungen der Staatsanwaltschaft New York ans Licht. Diese besagten, dass mindestens drei Stimmen gekauft waren, nämlich die Stimmen von Ricardo Teixeira, Julio Grondona (2014 verstorben) und Nicolás Leoz (2019 verstorben). Grondona soll zum Beispiel 800.000 Euro erhalten haben. Zudem soll Jacques Anouma 1,5 Millionen US-Dollar für seine Stimme bekommen haben und Marios Lefkaritis wurde, einigen Tagen vor der Abstimmung über die Vergabe, ein Stück Land für 32 Millionen US-Dollar von einer katarischen Staatsfirma abgekauft. Dazu gehört Lefkaritis das Rohstoffunternehmen Petrolina, welches einer der wichtigsten Partner Katars ist.
Laut einem weiteren Bericht der "Sunday Times", hat der katarische Funktionär Mohamed Bin Hammad fünf Millionen Dollar an FIFA-Offizielle gezahlt. 2011 wurde er lebenslang gesperrt, wegen Verstöße gegen den Ethikcode der FIFA. Zudem soll er mit FIFA-Funktionär Jack Warner versucht haben, auf einer Versammlung der Karibischen Fußball-Union, Stimmen zu kaufen. Jack Warner wurde auch damit auffällig, dass er sich für 25 Millionen ein Trainingszentrum auf seinem Privatgrundstück hat bauen lassen und er versuchte bei der Präsidentschaftswahl der FIFA Stimmen gegen Sepp Blatter zu kaufen.
Ein weiterer Fall ist der ehemalige FIFA-Funktionär Rafael Salguero. Er gab zu, dass ihm 2010 auf einem Flug hunderttausende Dollar für seine Stimme geboten wurden. Nach mehreren Besprechungen über die Schmiergeldzahlung, stimmte er für das betreffende Land, habe das Geld aber nie erhalten. Trotz der vielen Vorwürfe sagte der damalige FIFA-Chef Sepp Blatter in einem ARD-Interview weiterhin:
"Die WM wird in Katar gespielt"
Im Jahr 2014 nannte Blatter die Vergabe der WM an Katar dann einen Fehler. Die Länder Russland und Katar streiten jegliche Bestechung im Zusammenhang mit der WM stets ab. Eine FIFA-interne Untersuchung von Chefermittler Michael Garcia kam 2017 zu dem Schluss, es gebe keine Hinweise auf Stimmenkauf. Dieser Michael Garcia hatte auch die Aufsicht beim Zusammenbruch der Bank "Lehman Brothers", das größte Aufsichtsversagen in der amerikanischen Wirtschaftsgeschichte. Bestechungen und Korruption bei den Vergaben der WM 2010 nach Südafrika, der WM 2014 nach Brasilien, der WM 2018 nach Russland und der WM 2006 nach Deutschland sind mittlerweile deutlich erwiesen. Doch auch beim Sommermärchen 2006 spielt Katar eine wichtige Rolle. So sind 6,7 Millionen Euro aus Deutschland über Umwege beim Katari Mohammed Bin Hammam gelandet und Deutschland benötigte für den Zuschlag für die WM die vier Stimmen des Asienverbandes, um sich gegen Südafrika durchzusetzen. "Umgekehrt brauchte Katar 2010 die Stimmen Europas gegen die USA", sagte Sportfunktionär Andreas Rettig, "Ein Schelm, wer Böses dabei denkt." Wofür die 6,7 Millionen tatsächlich geflossen sind, ist noch heute unklar, denn alle Beteiligten schweigen.
Insgesamt sind heute von den damaligen 22 Mitgliedern des FIFA-Exekutivkomitees, welche über die Vergabe nach Katar abstimmten, 20 vom Fußball ausgeschlossen, wegen Betrugs verurteilt, von Regierungsbehörden angeklagt oder werden der Korruption beschuldigt. Auch Blatters Nachfolger Gianni Infantino sah keine Korruption und sagte nach seiner Amtsübernahme:
"Natürlich wird die Weltmeisterschaft 2022 in Katar stattfinden"
Im Januar 2022 wurden die Korruptionsgerüchte erneut lauter, da bekannt wurde, dass der FIFA-Chef Gianni Infantino nach Katar gezogen sei und auch zwei seiner vier Kinder in Katar zur Schule gehen. Und das, obwohl die FIFA noch im März 2021 bestritt, dass er dies tun werde. Infantino verteidigt die Vergabe nach Katar und seine Pläne, die WM nicht mehr alle vier, sondern alle zwei Jahre auszutragen, so: "Wir müssen den Afrikanern Hoffnung geben, damit sie nicht mehr über das Mittelmeer kommen müssen, um vielleicht ein besseres Leben zu finden oder, wahrscheinlicher, den Tod im Meer." Kotz würg.
Die Pro-Katar-Fraktion argumentiert oft damit, dass solche Veranstaltungen in der Gesellschaft einen Wandel anstoßen können. Diese Aussage kann zum jetzigen Zeitpunkt natürlich noch nicht widerlegt werden, Negativbeispiele sind aber die Sportevents vom Anfang: Olympia 1936, 2008, 2014, 2022 und die Weltmeisterschaften 2014 und 2018.
In diesem Zusammenhang wird oft die WM 2010 in Südafrika genannt und ja, diese WM vereinte das südafrikanische Volk, jedoch gibt es einen großen Unterschied. Südafrika ist ein demokratisches Land und kein autoritäres Regime, das versucht, sich in Szene zu setzen wie in Peking, Russland, Berlin 36 und Katar. Für diese Staaten galt, es hat sich vielleicht kurzfristig was verbessert, auf lange Sicht gab es aber für so ein Großereignis zu wenige bis keine Verbesserungen. Ebenso in Südafrika: Man versprach der Bevölkerung neue Jobs, bessere Nachwuchsarbeit im Fußball, neue Trainingszentren und vieles mehr. Kurzfristig brachte die WM zwar neue Jobs, mittlerweile liegt die Arbeitslosenquote aber knapp 14% über der des WM-Jahres 2010. Für viele Menschen blieb die WM eine Aneinanderreihung von leeren Versprechen.
Jetzt aber wieder zurück zur Winter-WM in Katar. Warum wollte Katar diese WM denn überhaupt haben?
Der Grund lautet "Sportswashing". Der Begriff wurde in den letzten Jahren eingeführt und geprägt wurde er vor allem von Amnesty International. "Sportswashing" bedeutet, dass sich Staaten das Image durch große Sportevents reinwaschen wollen. Die Strahlkraft des Sports soll ausgenutzt werden, um die Aufmerksamkeit auf das Event auf den Ausrichter übertragt. Dieser Versuch von Katar scheint aber gescheitert zu sein, denn das früher praktisch unbekannte Land, ist zwar jetzt weltweit Gesprächsthema, aber vor allem wegen der Menschenrechtsverletzungen. Und genau zu diesen kommen wir jetzt, denn trotz, dass FIFA-Präsident Infantino gesagt hat, dass "Wo auch immer wir hingehen in dieser Welt, stellen wir den Schutz der Menschenrechte in den Vordergrund", gibt es in Katar unzählige.
Kapitel 6: Was ist in Katar seither passiert?
Seit der Vergabe der WM an Katar im Jahr 2010 wurde sieben neue Stadien aus dem Boden gestampft und eines wurde vergrößert. Alle acht sind supermoderne Arenen mit der besten Ausstattung. Auf dieser kleinen Fläche des Landes acht Stadien zu setzen, ist, als würde man die Stadien in Hessen zwischen Kassel und Wiesbaden oder zwischen Salzgitter in Niedersachsen und Hamburg platzieren. Die maximale Autofahrtzeit zwischen den Stadien beträgt rund eine Stunde.
Gespielt wird in den Arenen:
- al-Bayt-Stadion in al-Chaurmit 60.000 Plätzen
- Ahmed bin Ali Stadium in ar-Rayyan mit 40.740 Plätze
- Education City Stadium ebenfalls in ar-Rayyan mit 40.000 Plätzen
- Khalifa International Stadium auch in ar-Rayyan mit 40.000 Plätzen
- Das Finalstadion Lusail Iconic Stadium in Lusail mit 80.000 Plätzen
- al-Janoub Stadium in Al-Wakra mit 40.000 Plätzen
- al-Thumama-Stadion in der Hauptstadt Doha mit 40.000 Plätzen
- Stadium 974 ebenfalls in Doha mit 40.000 Plätzen
Die Stadien bieten also knapp 380.000 Menschen Platz. Wenn also alle 270.000 katarischen Staatsbürger*innen ins Stadion gehen würden, könnten sie nicht alle Stadien komplett füllen.
Die Stadien sollen zusammen knapp 6,5 Milliarden US-Dollar gekostet haben. Geplant wurden einige übrigens von einem Frankfurter Planungsbüro AS&P, welches vom Sohn des Nazi-Stararchitekten Albert Speer gegründet wurde. Das Stadion 974 soll nach der WM sogar wieder abgebaut werden. Auch die Hauptstadt Doha wurde komplett umgekrempelt. Dort wurden neue Straßenzüge, Hotels, Bürgersteige und Shopping-Malls gebaut. In der Stadt mitten in der Wüste entstanden auch Grünstreifen. Zudem entstand in Katar auch ein neuer Flughafen. Sogar die 38 km²-große Stadt Lusail City für 200.000 Einwohner*innen wurde komplett neu gebaut. 7 der 8 Stadien sind mit der U-Bahn verbunden und erreichbar. Insgesamt wurde in die neue Infrastruktur für die WM wohl zwischen 220 und 300 Milliarden US-Dollar investiert. Somit wird dies die teuerste Weltmeisterschaft aller Zeiten.
Zum Vergleich, die WM 2014 in Brasilien war bislang mit 15 Milliarden Dollar die teuerste, die WM 2018 in Russland wird auf 11,6 Milliarden geschätzt, die WM 2010 in Südafrika auf 3,6 Milliarden Dollar und die Sommermärchen-WM 2006 in Deutschland kostete 4,3 Milliarden Dollar.
Für die WM und die Umgestaltung des Landes wurde rund um die Uhr geschuftet und das vor allem von ausländischem Gastarbeiter*innen, denn ohne diese wäre die WM auf keinen Fall möglich gewesen. Doch diese werden systematisch ausgebeutet. Schuld daran ist das Kafala-System, doch was ist das Kafala-System überhaupt? Wer in Katar arbeiten möchte, muss sich zuerst einen Arbeitgeber suchen, welche die Einreise in das Land ermöglicht. Diese konfiszieren oft die Pässe der Gastarbeiter*innen, damit sie das Land nicht verlassen können. Sie haben lange Arbeitszeiten, oft 10 bis 14 Stunden pro Tag, 7 Tage die Woche. Die Arbeiter*innen haben kaum Freiheiten und Rechte, zum Beispiel dürfen Gastarbeiter*innen auch nicht in modere Shopping Malls gehen. Oft werden sie von ihrem Arbeitgeber geschlagen und müssen, wenn sie krank werden, als Strafe raus in die Hitze. Ein Gastarbeiter berichtete: "Wenn wir um eine Pause gebeten haben, um zu essen, sagte der Chef immer: "Seid ihr zum Essen oder zum Arbeiten hierher gekommen?"" In einem ZDF-Bericht erklärten Arbeiter, dass sie nur umgerechnet 300 Euro im Monat erhalten, wenn sie denn überhaupt den Lohn erhalten. Sie beklagen sich nämlich auch über ständige Lohnausfälle. Katar bestätigte diese Berichte und gab an, dieses Bauunternehmen auf die Verbotsliste gesetzt zu haben. Rund 100 Mitarbeiter*innen warteten über 7 Monate auf ihren Lohn. "Seit November erzählt uns der Firmenboss immer wieder, dass unser Gehalt kommen würde", erzählt Adi Gurung, ein Arbeiter aus Katar. "Immer wieder verlangte er von uns, dass wir geduldig sein sollen." Bei Protesten von Arbeiter*innen gegen die ausbleibenden Lohnzahlungen wurden immer wieder Menschen festgenommen. Eine andere Firma ließ Arbeiter*innen, welche den Job innerhalb der erste fünf Jahre nach Vertragsunterschrift wechseln wollten, eine Geldstrafe dafür zahlen. Auch der französische Fußballer Zahir Belounis litt unter dem Kafala-System. Er spielte in der zweiten katarischen Liga und wollte ausreisen. Doch sein Verein verweigerte dies. Eineinhalb Jahre kämpfte er um seine Ausreise. Er durfte erst ausreisen, als die internationale Presse begann, über seinen Fall zu berichten.
Auch die Wohnsituation der Arbeiter*innen ist katastrophal. Sie wohnen eng aufeinander, ohne Privatsphäre, oft zu acht oder zehnt in einem Zimmer, ohne sauberes Wasser und mit unsicheren Gasanschlüssen. Dazu liegt überall Müll herum. Oftmals sind Plumpsklo und Dusche sogar in einer Kabine. Durch diese Bedingungen sind sie besonders anfällig während der Corona-Pandemie. Der mittlerweile leider verstorbene Ex-Bundesarbeitsminister Norbert Blüm besuchte mit Stern TV 2015 Katar, um sich selbst ein Bild der Lebensverhältnisse der Arbeiter*innen zu machen. In seinem Bericht sagte er über die Lage in Katar: "Darauf kann wirklich die Fußballwelt nicht stolz sein. Das ist der Preis für dieses ganze Funktionärsgetue mit Fortschritt, Fußball und Modernisierung. Scheißhaus und Dusche für die Arbeiter und Logen für Herrn Blatter."
2020 gab es einige Reformen, die Arbeitsmigrant*innen besser vor Ausbeutung und Missbrauch schützen sollten, so wurde das Kafala-System schon mehrfach abgeschafft. Jedoch waren diese sehr halbherzig, brachten nur wenig und werden praktisch gar nicht überwacht. 2020 wurde auch ein Mindestlohn von 1000 Rial eingeführt, was umgerechnet 230 Euro im Monat sind. Einerseits ist dieser Mindestlohn immer noch unterirdisch, andererseits verdienen viele Arbeiter*innen jetzt weniger als zuvor. Klingt komisch, ist aber so. Die Arbeitgeber zahlen nun den Mindestlohn, aber zahlen den Arbeiter*innen keine Boni mehr aus. Der Streamer GamerBrother sagte dazu: "Ein Monatslohn von 150 bis 200 Euro dafür, dass du im Elend lebst und 10 - 14 Stunden am Tag bei 40 Grad diese Stadien hochziehst - Das ist moderne Sklavenarbeit, das ist nichts anderes." Nicholas McGeehan, ein Experte für Menchen- und Arbeitsrecht, sagt zu den Reformen in Katar: "Der Reformprozess, von dem immer behauptet wird, dass er signifikante Veränderungen gebracht hat und sehr positiv verläuft, steht still. Das Kafala-System gibt es nach wie vor, die sklavenähnliche Zustände im Land, auf dem Papier nicht mehr, aber die Realität ist eine andere. Es ist jetzt sogar ausgeprägter als jemals zuvor."
Doch die Arbeiter*innen benötigen das Geld, nicht für sich, sondern für ihre Familien in ihren Heimatländern. Sie überweisen das Geld an ihre Familien, sogenannte "Rücküberweisungen". 25 % der weltweiten Rücküberweisungen kommen aus den Golfstaaten (Katar, Vereinte Arabische Emirate, Kuwait, Saudi-Arabien, etc.). 25 % der Einkommen des Bruttoinlandsprodukts von Nepal kommen aus Rücküberweisungen, ohne diese wären Staaten wie Nepal Staatsbankrott. Doch warum gehen Arbeiter*innen ins Ausland und arbeiten nicht in ihren Heimatländern? Die Arbeiter*innen gehen in Staaten wie Katar, weil sie dort immer noch mehr verdienen, als bei sich zuhause oder daheim gar keine Arbeit finden. Um nach Katar zu kommen, müssen die Arbeiter*innen Geld an kriminelle Rekrutierungsagenturen zahlen, welche sie dann nach Katar bringen. Sie müssen sich also oft verschulden, um arbeiten zu können. Dies kann Arbeiter*innen schonmal 1000 bis 1500 Euro kosten.
Seit nun 12 Jahren werden die Bauarbeiter auf den Baustellen für die Weltmeisterschaft ausgebeutet. Traurigerweise gab es auf den Baustellen auch Tote. Auch bei den Vorbereitungen für die Weltmeisterschaften in Brasilien und Russland starben Menschen, in Brasilien starben 73 Bauarbeiter und in Russland waren es 12 - 15 Tote, für Olympia 2012 in London ist eine Person gestorben, ebenso für Olympia 2010 in Vancouver und bei Bauarbeiten zur WM 2010 in Südafrika waren es zwei. Dass auf den Baustellen Menschen starben ist wirklich tragisch, doch sie stehen in keinem Vergleich zu den Todeszahlen aus Katar. Während die FIFA noch im Januar 2022 von "nur" 3 Toten redete, berichtete der britische "Guardian" schon Anfang des Jahres 2021 von über 6.500 toten Gastarbeiter*innen seit der Vergabe. Damals gab es schon einen riesigen Aufschrei, dieser wurde nochmal stärker als im August 2021 eine Studie der Menschenrechtsorganisation Amnesty International erschien. Diese Studie korrigierte die Zahl auf 15.021 Tote seit der Vergabe hinauf. 9.000 dieser Tote stammen allein aus Asien, zum Beispiel aus Pakistan, Indien, Bangladesch, Nepal, Sri Lanka und von den Philippinen. In diesen Ländern verdienen viele Menschen mittlerweile Geld damit, die ankommenden Särge am Flughafen entgegenzunehmen. Das bedeutet pro WM-Spiel sind also knapp 235 Menschen gestorben und pro teilnehmendem Spieler gab es etwa 18 Tote. Bei der Größe eines Standart-Einzelgrabes (220 x 100 cm) würde man, um alle verstorbenen Arbeiter*innen zu begraben, über sechs Fußballfelder benötigen und wenn man für jede verstorbene Person eine Schweigeminute halten würde, wären 166 Spiele nötig, die WM selbst hat nur 64 Spiele. Dass die WM ausgerechnet am Totensonntag startet, wirkt da fast schon zynisch. Zudem legte der Bericht da, dass die bei 70 % der Toten die Todesursachen nicht aufgeklärt werden. In den Sterbeurkunden, bei den meisten jungen und fitten Männern, steht meistens "Atemversagen", "natürliche Ursache" oder "Herzversagen", um so keine Verbindung zu den miserablen Arbeitsbedingungen herzustellen. Hiba Zayadin von Human Rights Watch, sagte zu den Todesfällen: "Leider weigert sich Katar, aussagekräftige Daten über die Todesfälle unter den Gastarbeitern zu veröffentlichen, und die Hitzevorschriften, die die Arbeiter von den Gefahren extremer Hitze und Feuchtigkeit schützen sollen, sind immer noch völlig unzureichend." Ein ehemaliger Gastarbeiter sagte "Für diese WM sind Menschen gestorben. [...] Irgendwann dachte ich bloß noch: Das ist mein Ende." Und FIFA-Präsident Infantino sagt dazu nur "Katar hat bezaubernd geliefert", was zum f*ck?
Wir haben die Botschaft Katars in Deutschland in einer Mail zu den Vorwürfen befragt. Die Mail haben wir am 7. Februar verschickt, haben aber bis heute noch keine Antwort erhalten.
Vor wenigen Wochen wurde nun bekannt, dass binnen weniger Stunden tausende Arbeitsimmigrant*innen aus ihren Behausungen verbannt wurden, um Platz für Fans zu machen. Viele konnten nicht einmal ihre wichtigsten Dinge mitnehmen.
Wenn man sich das so durchliest, wirkt der Satz "Wo auch immer wir hingehen in dieser Welt, stellen wir den Schutz der Menschenrechte in den Vordergrund" von Infantino sehr lächerlich. Er sagt aber auch, dass "Wenn sie jemandem Arbeit geben, auch wenn er in einer schwierigen Lage ist, verleihen sie ihm Würde und Stolz." Anders ausgedrückt, solange jemand Arbeit hat, sind Menschenrechte doch egal. Mit jedem Satz, den Infantino auskotzt, wird er für die Fußballwelt untragbarer.
Außer AS&P sind auch weitere deutsche Firmen beim Infrastrukturbau in Katar beteiligt ,zum Beispiel lieferte "Siemens" Stromversorgungssysteme, "Wiedenmann" aus Baden-Württemberg lieferte Maschinen zur Rasenpflege, "Nowofol" aus Bayern lieferte Material für Stadiondächer und "Q-Railing" aus NRW lieferte Geländer. Aber Siemens ist ein besonderes Beispiel, denn Katar hält 3,27 % bei der Firma. Aber an welchen Vereinen und Firmen ist Katar noch beteiligt?
Kapitel 7: Wo hat Katar noch seine Finger im Spiel?
Katar hat seine Finger in ziemlich vielen Firmen. Neben, wie bereits genannt Siemens, auch bei RWE, Deutsche Bank, Barclays und vielen weiteren. Hier mal eine Auflistung mit dem Prozentsatz der gehaltenen Anteile:
- Das britische Finanzunternehmen "Barclays" - 5,5 %
- Die Schweizer Großbank "Credit Suisse" - 17,98 %
- Die "Deutsche Bank" - 6,1 %
- Der russische Flughafen Pulkowo - 24,99 %
- Der Schweizer Rohstoffhandel "Glencore" - 8,73 %
- Das Hamburger Transport- und Logistikunternehmen "Hapag-Lloyd" - 14,5 %
- Die Holding des britischen Flughafen Heathrow "Heathrow Airport Holdings" - 20 %
- Der französische Verlag "Groupe Lagardère" - 13 %
- Die Börse "London Stock Exchange" - 10,3 %
- Die britische Supermarktkette "J Sainsnury" - 21,9 %
- Der deutsche Konzern "Siemens" - 3,1 %
- Der US-amerikanische Juwelier "Tiffany & Co." - 9,7 %
- Der französische Baukonzern "Vinci" - 3,74 %
- Der deutsche Autokonzern "Volkswagen AG." - 17 %
- Das Londoner Warenhaus "Harrods" - 100 %
- Das russische Mineralölunternehmen "Rosneft" - 19,5 % (aufgeteilt auf Glencore und Qatar Investment Authority)
- Das New Yorker Empire State Building - 9,9 %
- Das Londoner Gebäude "The Shard" - 95 %
- Der Essener Energiekonzern "RWE" - 9 %
- Der französische Fußballverein "Paris Saint-Germain" - 100 %
Das bedeutet, wenn man sich einen neuen VW oder einen neuen Siemens Kühlschrank kauft oder vom Londoner Heathrow Flughafen einen Flug bucht, fließt immer Geld nach Katar. Der bulgarische Premierminister Bojko Borissow hofft nun auch auf Investitionen von Katar bei sich im Land und schlug einige vor, zum Beispiel den Flughafen Baltschik oder den Bau einer Autobahn zwischen den Schwarzmeerstädten Warna und Burgas. Aber kommen wir nochmal zurück zu Paris Saint-Germain. Seit der katarischen Übernahme des Vereins, wurden große Namen verpflichtet. Heute spielen Weltstars wie Lionel Messi, Kylian Mbappé und Neymar für den Verein. Doch solche Spieler kosten Geld, viel Geld. Für Mbappé musste man 180 Millionen Euro zahlen, für Neymar sogar 222 Millionen. Seit der Übernahme 2011 wurden durch Spielerverkäufe knapp 509 Millionen eingenommen, während man für Neuzugänge über 1,58 Milliarden Euro ausgab. Insgesamt wurde in nur einer Saison überhaupt ein Transferplus erwirtschaftet. Doch diese Spieler soll Titel gewinnen. Man wurde französischer Serienmeister. Bis zur Übernahme gewann PSG in 41 Jahren nur 16 Titel, seit 2011 schon 27. Trotz des Erfolges, können sich nicht alle Fans darüber freuen. Seit Jahren steigen die Ticketpreise, Kritik der Fans ist nicht mehr erwünscht und das Logo wurde geändert. Der Sportverein Paris Saint-Germain wurde immer mehr zu einer Marke weiterentwickelt. Aber im Fußball hat Katar nicht nur bei Paris seine Finger im Spiel. Katar, genauer Qatar Airways, war 2013 bis 2017 Trikotsponsor des katalanischen FC Barcelona, auch bei der AS Rom war man von 2017 bis 2021 Trikotsponsor. 2021 wurde dann bekannt, dass Qatar Airways und der Deutsche Fußball-Bund ebenfalls über ein Sponsoring verhandeln. Es stellte sich im Nachhinein raus, dass Katar nie wirklich Interesse an einem Deal hatte, sondern die Initiative vom DFB kam. Dies zeigt auch wieder, wie stark der DFB den Bezug zur Realität verloren hat. Zum Glück scheiterte diese Idee und der DFB bleibt vorerst bei der deutschen Lufthansa. Aber nicht nur in Frankreich, Italien und Spanien ist Katar beteiligt, auch beim FC Bayern München hat Katar einen Fuß in der Tür. Der Flughafen Doha hat seit 2016 eine Werbepartnerschaft mit den Münchnern, welche dem Club mindestens 7 Millionen Euro pro Jahr einbringen. Zudem ist auch die katarische Fluggesellschaft "Qatar Airways" ein großer Werbepartner des FCB, dies soll wohl über 25 Millionen Euro pro Jahr einspielen. Diese Summe ist wirtschaftlich eigentlich zu hoch, aber Katar zahlt so viel, weil man mit dem Deal wohl politische Ziele verfolgt. Dazu fahren die Bayern seit 2011 jeden Winter ins Trainingslager nach Katar und zahlen weder das Hotel, noch die Flüge zwischen Katar und Deutschland. Alles wird von Katar gezahlt. Zum ersten Mal fuhr man sogar schon im April 2004 für ein Testspiel nach Katar, um gegen die "Stars of Qatar" zu spielen, für welche damals noch Mario Basler und Stefan Effenberg spielten. Diese kurze Reise kostete den FC Bayern wohl die Meisterschaft, aber dafür brachte dieses eine Spiel den Bayern angeblich 600.000 Euro ein. Doch es gibt nicht nur diese offensichtlichen Verbindungen zwischen dem FC Bayern und Katar, denn durch den Anteil, den Katar bei VW hält, hält sie automatisch auch Anteile der VW-Tochter Audi, welche wiederum 8,33 % der Anteile des FC Bayern München hält. Viele Fans der Münchner kritisieren diese Partnerschaften schon seit Jahren und protestieren auch dagegen. Zum Beispiel mit Bannern und Plakaten im Stadion.
Ein Fan organisierte, zusammen mit anderen Fans, eine Podiumsdiskussion zu diesem Thema mit dem Titel "Katar, Menschenrechte und der FC Bayern - Hand auf, Mund zu?" und hält die Eröffnungsrede. Und wie reagierte der FC Bayern darauf? Der FC Bayern verpasste dem Fan ein Hausverbot für die Gebäude des FC Bayern, sowie bei allen Heimspielen, auf unbestimmte Dauer. Zwar bekam er das Hausverbot nicht für die Podiumsdiskussion, sondern angeblich dafür, dass er zu einem Spiel der FC Bayern Amateure verbotenerweise ein Banner brachte, um gegen Montagsspiele zu demonstrieren. Der Fan war zwar bei dem Spiel, jedoch fand man beim Einlass das Banner nicht bei ihm und alle weiteren Fan-Proteste mit Bannern wurden nicht juristisch verfolgt und bekamen schon gar kein Hausverbot, nur dieser eine Fan, welcher die Podiumsdiskussion veranstaltete. Knapp vier Monate vor dem Hausverbot beantragte derselbe Fan auf der Jahreshauptversammlung der Bayern eine Satzungsänderung. Die Forderung: Bayern München soll sich bei den Geschäftsbeziehungen an die UN-Menschenrechtsbestimmungen halten. Der Antrag des Fans wird aber gar nicht erst zugelassen. Der Fan klagt gegen das Hausverbot, aber das Amtsgericht München gibt dem FC Bayern im Juli 2021 Recht. Im Urteil wird aber dann schon nicht mehr über das "illegale Einschmuggeln" des Banners gesprochen. Der Fan legte Berufung gegen das Urteil ein. OneFootball-Moderator Nico Heymer sagte dazu in einer ZDF-Dokumentation: "Wenn wir anfangen, Fans Stadionverbote zu geben für Meinungsäußerungen, dann bewegen wir uns in eine katastrophale Richtung". Der YouTuber Manu Thiele sagte zu dem Katar-Deal: "Mit dem Katar-Deal verkauft der Klub seine Seele und spuckt auf die eigene Vereinshistorie". Den absoluten Höhepunkt erreichten die Fan-Proteste gegen den Bayern-Katar-Deal bei der Jahreshauptversammlung 2021. Auf der JHV diskutierten Mitglieder intensiv über den Deal und als eine Katar-kritische Wortmeldung ansteht, lässt Bayern-Präsident Herbert Hainer diese Meldung nicht zu und will die Wortmeldungsliste schließen. Daraufhin buhen und pfeifen ihn die Fans aus. Das Katar-Engagement war der letzte Tagespunkt auf der Versammlung und Hainer wollte dann die Sitzung beenden, woraufhin die Lage im Saal eskalierte. Als Reaktion kamen zu den Pfiffen die Rufe "Hainer raus", "Vorstand raus" und "Wir sind Bayern und ihr nicht". Das Mitglied hält dann, trotz Abwesenheit des Bayern-Präsidiums, noch seine Rede, aber ohne Mikrofon und bekommt tobenden Applaus. Sowohl der Vorstandsvorsitzende Oliver Kahn, als auch Präsident Herbert Heiner stimmten gegen die Satzungsänderung. Die Abstimmung endete so: 639 dafür, 25 Enthaltungen und 88 dagegen. Hier das Video der JHV:
Auf der diesjährigen Hauptversammlung kam das Thema dann erneut auf. Der Katar-Kritiker Michael Ott hielt eine Rede und forderte den Werbedeal mit "Qatar Airways" zeitnahe zu beenden. Wegen dieser Rede wurde er von Uli Hoeneß, ehemaliger Bayern-Präsident, nach Ende der Jahreshauptversammlung angegriffen. Hoeneß sagte zu ihm: "Ihr Auftritt war peinlich. Das ist der Fußballclub Bayern München und nicht die Generalversammlung von Amnesty International!" oder mit anderen Worten: Wir sind ein Fußballverein und Menschenrechtsverletzungen interessieren uns nicht. Die Fan-Vereinigung "Club Nr. 12" schrieb auf Twitter zu dem Wutausbruch von Hoeneß: "Die Diskussionen heute waren zwar thematisch hart, aber sehr fair. Schade, dass der Ehrenpräsident dann so agiert...". Gegenüber der Bild-Zeitung sagte Ott: "Wir haben einen sachlichen Dialog hier geführt auf der Mitglieder-Versammlung, der Herr Hoeneß fällt da etwas aus dem Rahmen" und warf ihm vor, an keinem sachlichen Dialog interessiert zu sein.
Der ehemalige Vorstandsvorsitzende der FC Bayern München AG, Karl-Heinz Rummenigge, verteidigt bis heute den Katar-Deal. Auf der Jahreshauptversammlung 2019 sagte er: "Seit dem Bayern München Partner von Katar ist, ist nachweislich eine Entwicklung in Sachen Menschen- und Arbeitsrechte im positiven Sinne passiert" und dies ist nachweislich gelogen. Zwar kletterte man in der Rangliste der Pressefreiheit von Platz 121 im Jahr 2011 auf Platz 119 dieses Jahr, jedoch rutschte man im Global Gender Gap Ranking auf Platz 142 im Jahr 2021 ab, während man 2011 noch auf Platz 111 stand. Im "Freedom of the World" Freiheitsindex hatte man 2017 noch 26 von 100 möglichen Punkten, 2022 nur noch 25 Punkte. Wenn überhaupt, gab es seit 2011 nur einen minimalen Fortschritt, teilweise sogar große Rückschritte. Doch warum sollte uns Rummenigge anlügen? Weil auch er privat von dem Katar-Deal profitierte. Als Karl-Heinz Rummenigge im Februar 2013 aus Katar nach Deutschland einreisen wollte, versuchte er zwei Rolex-Uhren durch den Zoll zu schmuggeln. Die Uhren hatten einen Wert von 100.000 Euro. Im November 2013 verurteilte ihn das Landgericht München zu einer Strafe von 250.000 Euro. Mit dem Schmuggel wollte er sich die 19 % Einfuhrumsatzsteuer sparen, also knapp 19.000 Euro, bei einem geschätzten Monatsgehalt von 500.000 Euro netto. Doch woher kamen die Uhren? Die beiden Rolex-Uhren waren Geschenke der Kataris. Rummenigge kombinierte privaten Nutzen mit den Geschäften des FC Bayern München.
Auch der Bayern-Star Leon Goretzka kritisiert diesen Katar-Deal scharf. "Ich glaube, der Vertrag läuft nächstes Jahr aus und ich bin mir eigentlich ziemlich sicher, dass der Verein da auch im Sinne des Vereins und auch der Mitglieder handeln wird", sagte er in einer neuen ZDF-Dokumentation, die erste wenige Tage alt ist und ergänzte noch, dass er persönlich nicht dagegen hätte.
Doch kommen wir zurück auf die katarischen Investitionen. Woher kommt denn das ganze Geld für die Investitionen in die Infrastruktur, die WM-Stadien und die Investitionen in ausländische Unternehmen und Vereine?
Kapitel 8: Woher kommt das Geld?
Schon 3200 vor Christus gab es auf der Halbinsel Handel mit Naturperlen und dies wurde zur Haupteinnahmequelle von Katar. Dies hielt bis zu den 1930er-Jahren an, dann brach die Hochkonjunktur im arabischen Golf zusammen, weil Japan den Markt mit Zuchtperlen flutete. Dies führte zu einer Wirtschaftskrise in Katar. Doch schon 1939 wurde in Katar ein Erdölvorkommen gefunden. Erdöl wurde zum neuen wirtschaftlichen Standbein des Staates. Im Jahr 1971, dem Jahr der Unabhängigkeit von Großbritannien, wurde dann im Golf zwischen Katar und dem Iran das größte Erdgasvorkommen der Welt gefunden. Heute erwirtschaftet das Land über 60 % des Bruttoinlandsproduktes mit fossilen Brennstoffen. Zudem spielen die Investments bei VW, Deutsche Bank und Co. auch wieder Geld in die Taschen Katars. Aber vor allem durch die fossilen Brennstoffe wurde Katar zu einem Global Player. Zum Beispiel kommen rund 20 % des weltweiten Flüssiggases aus dem Emirat. Auch Deutschland ist seit Jahren Gaskunde von Katar. Deshalb schauen wir nun etwas genauer auf die Außenpolitik von Katar und die Beziehung zur Bundesrepublik.
Kapitel 9: Politik und Katar
Katar pflegt international gute Kontakte, unter anderem zum Iran, zu Russland und zu der Türkei. Engster Verbündeter von Katar sind die Vereinigte Staaten von Amerika. So sind seit 1996 mehrere Tausend US-Soldaten in dem kleinen Emirat stationiert. Dies soll Katar eine Milliarde US-Dollar gekostet haben. Doch nicht nur zu Staaten unterhält Katar Beziehungen, auch zu der Terrororganisation Taliban. Die Taliban eröffnete 2013 sogar ihr weltweit einziges Auslandsbüro in der katarischen Hauptstadt Doha. Zudem heißt es immer wieder, Katar würde die Taliban unterstützen. Diesen Vorwurf griff US-Präsident Trump 2017 auf und wendete sich von Katar ab. Mit amerikanischer Rückendeckung beschließen die Vereinigte Arabischen Emirate, Saudi-Arabien, Ägypten, Jemen und Bahrein ein Embargo gegen Katar und isolieren das Land. Nichts sollte mehr rein oder raus. Das wurde für das Emirat ein Problem, denn Katar importiert über 90 % seiner Lebensmittel. Salat aus den Niederlanden, Äpfel aus China, Eier aus dem Oman, aber die Hauptlieferanten sind ausgerechnet Saudi-Arabien und die Vereinten Arabischen Emiraten, aus denen ein Drittel der importierten Lebensmittel stammen. Erst im Januar 2021 wurde die Blockade, nach Vermittlungen von Kuwait, wieder aufgehoben. Emir Tamim bin Hamad ath-Thani lässt sich in seinem Land dafür, mit riesigen Plakaten und Merchandise von sich, feiern. Was Katar auch geholfen hatte, waren die Verpflichtungen von Neymar und Mbappé für Paris Saint-Germain. Mit diesen Transfers rückte man das Land Katar ins Rampenlicht des Fußballs. Trotz Aufhebung der Blockade, bestehen die Verbindungen zur Taliban weiterhin. Als die Taliban im letzten Jahr wieder die Macht in Afghanistan übernahm, bewies Katar absolute Doppelmoral. Während sie am Flughafen in Kabul den westlichen Ländern dabei half, Menschen aus Afghanistan zu evakuieren, flog die katarische Luftwaffe den politischen Führer der Taliban, aus seinem Exil in Doha, wieder nach Afghanistan. Katar ist also praktisch gleichzeitig Brandstifter und Feuerwehrkraft. Aber nicht nur zu den Taliban hat Katar guten Kontakt, sondern auch zur palästinensisch-islamistischen Terrororganisation Hamas, der Muslimbruderschaft, dem Islamischen Staat und auch zur al-Qaida.
Auch zu Deutschland pflegt das Emirat eine gute Beziehung und das schon seit Jahren. Denn nicht nur Katar kauft sich in Deutschland ein, sondern Deutschland kauft auch in Katar ein. Schon seit Jahren kauft die Bundesrepublik Gas und Öl aus Katar. Durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und seit Russland Europa den Gashahn zugedreht hat, wurde Katar auf dem internationalen Markt noch wichtiger und mächtiger. So jetteten dieses Jahr schon Bundeswirtschaftsminister Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) und Bundeskanzler Scholz (SPD) nach Katar und schlossen neue Deals zum Kauf von Gas und Flüssiggas ab, teilweise sehr langfristige Verträge. Doch Katar kauft auch gerne in Deutschland ein. Auf der Rangliste der Länder, aus denen Katar am meisten Waren importiert, lag Deutschland im Jahr 2019 auf Platz 3. Unter diesen Waren sind auch viele Rüstungsgüter, zum Beispiel Leopard 2-Panzer. Nun, da wir die politische Beziehung zwischen Deutschland und Katar kennen, wie stehen die Politiker*innen zur WM 2022 in Katar?
Kapitel 10: Meinungen von Politikerinnen und Politikern zur WM
In der Politik gibt es verschiedene Meinungen zur Austragung der Weltmeisterschaft in Katar. Jürgen Hardt, der aktuelle außenpolitische Sprecher der Union-Bundestagsfraktion, fordert, dass strittige Menschenrechtsfragen erst nach der Austragung der WM geklärt werden oder anders gesagt: "Lass mich mit Menschenrechten in Ruhe, ich will jetzt Fußball gucken." Auch Ex-Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) spielt die Kritik am Gastgeber herunter, nach dem Motto "früher gab es in Deutschland auch keine Frauenrechte und Homosexualität war auch verboten". Dazu muss aber erwähnt werden, dass Gabriel heute Lobbyist für die Deutsche Bank ist, welche ja zum Teil Katar gehört. Der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff (CDU) soll 2010 beim damaligen FIFA-Chef Blatter sogar für Katar lobbyiert haben, mit dem Hinweis auf enorme Aufträge für Unternehmen aus Deutschland. Blatter stimmte trotzdem für die USA. Auch beim damaligen DFB-Präsident Zwanziger hat sich Wulff erkundigt, wie denn die Karten für Karten stehen, doch dieser sagte ihm, dass Katar eigentlich keine Chance haben dürfte. Allgemein gibt es in der Politik wenige Pro-Stimmen, Kritik hingegen gibt es sehr viel. So forderte der menschenrechtspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Frank Schwabe im Februar einen kompletten Boykott der WM in Katar. Die Bundestagsfraktion der Grünen forderte keinen Boykott, aber dass die FIFA einen Entschädigungsfonds für die Gastarbeiter*innen in Katar einrichten solle. Auch die Nationalelf der Bürgermeister verkündete im Oktober, dass man die WM boykottieren werde, weil man "grundsätzlich nicht mit der Wahl des Austragungsortes einverstanden" sei. Das bedeutet, dass die Nationalmannschaft der Bürgermeister erstmals seit der Gründung im Jahr 2008 nicht zur WM fahren wird. Auch die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Luise Amtsberg (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte den Austragungsort: "Die Menschenrechtslage ist besorgniserregend" und sie sagte, die WM hätte "niemals an diesen Staat vergeben werden dürfen". Ein Boykott forderte im Dezember 2021 auch die Berliner SPD und die Jungen Liberalen forderten vor wenigen Tagen ebenfalls, dass die deutsche Nationalmannschaft nicht an der WM teilnimmt. Auch der ehemalige Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) sagte, dass die Entscheidung für Katar "ein krasses Fehlurteil" sei. Im Bundestagswahlkampf im letzten Jahr äußerten sich auch die Kanzlerkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock und der Kanzlerkandidat der Union, Armin Laschet zur Winter-WM in Katar. Laschet sagte, dass Katar "kein guter Ort für die Fußball-Weltmeisterschaft" sei. Auch Baerbock sprach sich für eine Absage des Turniers aus. Auf unsere Anfrage, wie die mittlerweile Bundesministerin für Auswärtiges, heute zur Weltmeisterschaft steht, antwortete das Bundesministerium bisher nicht. Um weitere Stimmen aus der Politik zu sammeln, haben wir an einigen Politiker*innen Interview-Anfragen geschickt. Dr. Dietmar Bartsch (Die Linke), Dr. Wolfgang Schäuble (CDU) und Dr. Helge Braun (CDU) standen uns nicht für ein Interview zur Verfügung. Bei der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken wurden wir nur von Pressestelle zur Pressestelle geschickt. Von Martin Sonneborn (Die PARTEI) und Johannes Fechner (SPD) kam nach 10 Monaten bis heute noch keine Antwort. Der ehemalige Bundestagsabgeordnete Fabio de Masi (Die Linke) stand uns ebenfalls nicht zur Verfügung, sagt uns aber, dass er die WM in Katar natürlich kritisch sehe. Doch einer stimmte zumindest einem schriftlichen Interview zu: Herr Dr. Gregor Gysi von der Links-Partei.
Neulandkrieger: "Was halten sie davon, dass die Fußballweltmeisterschaft überhaupt an autoritäre Staaten, wie Katar und Russland vergeben werden?"
Herr Gysi: "Die FIFA achtet bei der Vergabe der Fußballweltmeisterschaften letztlich vor allem darauf, wo sie den größten Profit erzielen kann. Autoritäre Staaten lassen sich den Imagegewinn, den eine Fußball-WM im eigenen Land verspricht, eben am meisten kosten. Dass beim Fußballweltverband offenbar niemand ernsthaft ins Überlegen kommt, wenn beim Bau der Stadien in Katar 15.000 Arbeiter ums Leben gekommen sind, spricht schon Bände. Bei der Vergabe von Olympischen Spielen kommt noch hinzu, dass die Bürgerinnen und Bürger in vielen demokratischen Staaten die Gigantomanie leid sind und deshalb bei entsprechenden Abstimmungen regelmäßig gegen die Austragung der Spiele in ihrer Umgebung stimmen. Nur, wohin dann mit ihnen?"
Neulandkrieger: "Ist es für Sie verantwortbar, dass die Deutsche Nationalmannschaft zu einem Turnier fährt, bei dessen Vorbereitungen über 15.000 ausländische Arbeiter starben?"
Herr Gysi: "Das ist eine schwierige Frage und brächte wohl nur etwas, wenn ein solches Signal von allen bisherigen Fußballweltmeisterländern gemeinsam käme. Allerdings ist der DFB nun nicht dafür bekannt, dass er sich mit der FIFA anlegt. Allein die Ungereimtheiten bei der Vergabe der WM 2006 nach Deutschland zeigen deutlich, wie eng auch der deutsche Fußballverband in das mitunter unlautere Geschäft mit dem Fußball verwoben ist. Die FIFA macht nach wie vor ihre Steuerbefreiung zur Voraussetzung für eine Vergabe der WM. Die WM-Vergabe nach Katar ist so gesehen nur die Spitze des Eisbergs."
Neulandkrieger: "Was halten Sie von einem Boykott der WM im November/Dezember?"
Herr Gysi: "Von Boykotten halte ich wenig. Es wäre aus meiner Sicht besser, die Bühne der Fußball-WM zu nutzen, um der gestorbenen Arbeiter zu gedenken, zum Beispiel indem man eine Initiative startet, dass die FIFA deren Angehörige entschädigt. Die Menschenrechtsverletzungen müssen ein permanentes Thema auch in der Berichterstattung sein. Und man muss mit vielen Menschen reden, um ein anderes Denken anzuregen."
Neulandkrieger: "Wie könnte man Turniere in Unrechtsstaaten verhindern?"
Herr Gysi: "Mit diesem Begriff sollten wir vorsichtig umgehen. Den hat Fritz Bauer für das Nazi-Regime geprägt, das für singuläre Menschheitsverbrechen verantwortlich war. Das kann man nicht auf heutige autokratische Regime und Diktaturen übertragen. Wenn man dorthin aber künftig keine Turniere mehr vergeben will, wird das wohl nur gelingen, wenn man sich in der FIFA auf verbindliche menschenrechtliche und demokratische Standards einigt und diese zur Voraussetzung für die Vergabe macht und nicht die Frage, ob die FIFA ihren Profit steuerfrei bekommt. Aber wir dürfen auch nicht vergessen, dass in der Welt nur 45 Prozent der Staaten als demokratisch angesehen werden. Man schlösse dann also die Mehrheit der Staaten und Bevölkerungen von vornherein aus. Und ich weiß, wie sich in Diktaturen solche Veranstaltungen auswirken. Man atmete eine Zeit lang freier und genießt es."
* Das Interview haben wir im März dieses Jahres geführt
Vielen Dank nochmal an Herrn Gysi für das Interview.
Der Ex-Arbeitsminister Norbert Blüm sagte im Jahre 2015 nach seinem Besuch in Katar bei Stern TV, dass einige Spieler, wie Cristiano Ronaldo oder Bastian Schweinsteiger, sich zu Wort melden und sagen sollten, dass sie nicht in Katar spielen werden, weil "ein guter Opernsänger, der würd nie auf ner Bühne singen, wenn unten im Orchestergraben die Musiker gepeitscht werden." Doch wie steht die Fußballwelt zur WM in Katar?
Kapitel 11: Meinungen der Fußballwelt
Bisher hat keine Nationalmannschaft gesagt, dass sie in Katar nicht antreten werden, kein Einzelspieler hat sich für einen Boykott entschieden und auch kein Verein verweigert die Abstellung seiner Spieler. Aber einige Unternehmen werden die WM boykottieren, zum Beispiel der niederländische Hauptsponsor, die Bank ING. Die niederländische Großgärtnerei Hendriks Gras, weigerte sich, den Rasen für die WM-Stadien zu liefern. Weitere Sponsoren der niederländischen Nationalmannschaft kündigten an, dass sie aufgrund der Menschenrechtslage nicht zur WM fahren werden. Bei einer Umfrage des Hamburger Marktforschungsunternehmens Appinio im April 2021, sagten 76 % der Befragten, dass weitere Firmen und Sponsoren die WM boykottieren sollten.
Trotz, dass bisher kein Spieler das Turnier boykottieren will, ist der Protest gegen die WM in der Welt des Fußballs sehr laut. Der englische Nationalspieler Jordan Henderson nannte die Zustände in Katar "schockierend" und der englische Stürmer Harry Kane kündigte Proteste während der WM an. Der niederländische Nationaltrainer sagte zur Weltmeisterschaft auf einer Pressekonferenz: "Ich finde es lächerlich, dass man in einem Land spielen soll, um wie die FIFA sagt, da den Fußball weiterzuentwickeln. Und das tut man dann, indem man in diesem Land dann ein riesen Turnier veranstaltet. Das ist einfach Bullshit. Dafür macht man das nicht. Es geht ums Geld, um kommerzielle Belange, nur darum geht's bei der FIFA." Dafür wurde er von WM-Organisationschef Hassan al-Thawadi kritisiert. Doch auch Norwegens Verbandspräsidentin Lisa Klaveness hat eine klare Meinung. Sie sagte auf dem 72. FIFA-Kongress in Doha im März dieses Jahres: "Es gibt keinen Platz für Unternehmen, die nicht die Freiheit und Sicherheit der WM-Arbeitskräfte zusichern, keinen Platz für Veranstalter, die keine Frauenwettbewerbe ausrichten, keinen Platz für Gastgeber, die nicht auf gesetzlicher Basis, Sicherheit und Respekt für LGBTQ+-Menschen garantieren." Auch sie wurde dafür von Al-Thawadi kritisiert. "Es geht nur um Geld, auch bei der WM in Katar. Für mich ist das alles eine schlimme Idee und ich wünschte, das würde woanders stattfinden", sagt der dänische Spieler und Ex-Dortmunder Thomas Delaney zur WM. Der ehemalige deutsche Nationalspieler Thomas Hitzlsperger sagte, auch mit Hinblick seiner Homosexualität und den Gesetzen in Katar: "Wenn ich in ein Land reise, in dem nicht ganz klar ist, ob ich eingesperrt werden oder sogar zu Tode verurteilt werden kann, dann ist das einfach falsch. Da darf kein Fußballturnier stattfinden." Vor wenigen Wochen reiste Bundesinnenministerin Faeser (SPD) nach Katar, um mit den Gastgebern über Menschenrechte und Reformen zu diskutieren. Sie kam wieder zurück, mit einer Sicherheitsgarantie für alle Menschen, welche nach Katar reisen wollen, auch für homosexuelle Personen. Nur wenige Tage später sagte aber der WM-Botschafter Katars, Khalid Salman, dass Homosexualität eine Sünde sei und ein es sei "geistiger Schaden". Nach dieser Aussage forderte der Queerbeauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann (Bündnis 90/Die Grünen) einen Boykott der Zuschauer und der Lesben- und Schwulenverband, forderte eine Reisewarnung für Katar. Wie sicher Homosexuelle in Katar wirklich sind, lässt sich nicht wirklich sagen.
Auch Christoph Kramer, Weltmeister von 2014, sagte, dass in Katar etwas passieren müsse, denn "in der heutigen Zeit dürfen Menschenrechtsverletzungen nicht sein." Mit Philipp Lahm, schloss sich ein weiterer Weltmeister von 2014 der Kritik an Katar an: "Wenn man in den Evaluierungsbericht der FIFA schaut, wurde davon abgeraten, unter anderem aufgrund der Menschenrechtslage, der Nachhaltigkeit. Da fragt man sich natürlich, warum trotzdem für Katar gestimmt wurde." Dieser Frage schon auf den Grund gegangen, nämlich Geld. In einem anderen Interview sagte Lahm, dass er nicht nach Katar reisen werden, weil "Ich bin einer, der gerne in Länder reist, wo man immer herzlich willkommen ist - egal, wer man ist" und ergänzte "Ich bin jemand, der Fankultur wertschätzt, der sich freut, wenn eine Nation wirklich so eine Kultur hat oder auch entwickelt. Deswegen werde ich nicht als Fan vor Ort sein" und schlug in dem Interview auch eine Lösung für die Zukunft vor, dass die Vergabe anders ablaufen muss: "Für mich ist ganz klar die Frage: Wie wird eine WM vergeben? Es gibt Kriterien, und Katar war nicht oben gestanden. Das darf in Zukunft nicht mehr passieren. An solche Länder, die die Kriterien nicht einhalten, darf eine WM nicht vergeben werden." Leon Goretzka sagte zur WM: "Seit der Vergabe werden die Menschenrechtsprobleme thematisiert, werden Missstände zurecht kritisiert. Für uns alle ist es ein Unding, dass die Einhaltung der Menschenrechte bis vor wenigen Jahren kein Vergabekriterium war" und das auch viele Fußballer sauer macht. Er sagt auch, dass er sich natürlich ein anderes Land gewünscht hätte, "um eine Weltmeisterschaft in meinem besten Fußballeralter zu spielen" und er auch wisse, dass nicht alle Länder dem so kritisch gegenüberstehen, dass Katar die WM austragen darf. Dies bestätigte ein argentinischer Fan in der Tagesschau. Goretzka sieht es auch als Aufgabe für sich an, sie Aufmerksamkeit auf das Turnier zu nutzen, um gute Werte zu vermitteln. WM-Fahrer Nico Schlotterbeck kritisiert nicht nur den Austragungsort, sondern auch, dass die WM im Winter stattfindet: "Dass die WM nicht nach Katar gehört, wissen wir alle. Dass die WM nicht in den Winter gehört, sondern in den Sommer, wissen wir auch." Der ehemalige Trainer von St. Pauli, Ewald Lienen sagte dazu, dass "krank" sei, die WM an Katar zu vergeben. Er sagte auch, dass man nicht nur den Sport in die Verantwortung nehmen muss, sondern auch Wirtschaft und Politik. Er ergänzte: "Es werden Millionen und Abermillionen in Stadien investiert, die später vergammeln. Die Einnahmen kommen der FIFA und den internationalen Konzernen zugute. Großereignisse sollten in Länder gehen, um sie damit zu unterstützen."
Der Freiburger WM-Fahrer Christian Günter hingegen, sieht die Verantwortung eher bei den Verbänden, weil Spieler seiner Meinung nach, da nicht viel beeinflussen können. Er wisse, das Thema ist sehr komplex und sensibel, aber Menschenrechte müssen geachtet werden. Er spricht auch über den Zwiespalt von Fußballer: "Einerseits will man als Fußballer eine WM spielen. Andererseits ist es wichtig, dass man die Missstände dort anspricht." Auch der Sportmoderator Arnd Zeigler hält wenig von der WM, weil es die erste Weltmeisterschaft ist, "auf die man sich kein fatz freut. Normalerweise ist es, dass du wirklich vorher monatelang denkst "Geil dieses Jahr ist Fußball-WM, kannste mit Freunden gucken [...]." Es ist eine Fußball-WM, die soviel, einfach soviel Krankes mit sich bringt." und er ergänze sich selbst: "Normalerweise hab ich vor jeder WM gedacht "Geil, du guckst alles, du guckst jedes Kackspiel, du guckst jeden Mist, du wirst sozial verelenden, aber du kuckst jedes Spiel. Du lässt dir Essen kommen. Du fängst morgens um neun an, die Nachberichte vom Vorabend zu gucken und guckst bis 0:20 Uhr" und diesmal, weis ich nicht. So sehr viel Spaß wird das nicht machen." Sportjournalist Manu Thiele sagte, dass er jeden verstehen könne, der sagt, er hätte kein Bock auf die WM und sagte, dass auch er als Sportfan kein Bock auf die WM hat, meinte aber auch, dass er die WM nicht boykottieren wird und lieber als Journalist kritisch darüber berichtet. Der wumms-Fußballexperte Arne findet die WM scheiße, "weil es einfach nicht mehr um den Fußball geht, oder um die Fans, so wie es sein sollte, sondern nur noch um Geld. Die FIFA ist so gierig, dass sie im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen geht. Über 15.000 Gastarbeiter sind beim Bau der Stadien und des ganzen Drumherums in Katar gestorben. Und wofür? Damit ein Land, dass nicht mal eine eigene Fußballkultur hat, aber dafür Menschenrechte mit Füßen tritt, sich das Image aufpolieren kann. Und die FIFA und die korrupten Funktionäre sahnen dabei richtig ab. [...] Die Fans spielen dabei keine Rolle, die sind scheißegal. [...] Am Ende steht diese WM für alles, was am Profifußball falsch läuft und den Fans den Spaß an diesem wunderschönen Sport verdirbt." Auch der Journalist Jochen Breyer ist gegen einen Boykott, sondern will eher die Lage in Katar kritisch beleuchten.
Die Nationalspielerin Jule Brand sieht den entscheidenden Fehler bei der Vergabe 2010, weil man da schon wusste, wie die Lage in Katar ist. Sie will auch den Spielern keinen Vorwurf machen, denn "für die Spieler ist es das Größte, eine WM zu spielen." Unser Bundestrainer Hansi Flick sagte über die WM: "Grundsätzlich finde ich es schade, dass dieses Turnier keine WM für die Fans wird. Dabei sollte der Fußball für alle da sein." In einem anderen Interview sagte er über die Vergabe an Katar, das hätte "schon viel früher beantwortet werden müssen - und war mit einem Nein!" Joshua Kimmich hält jetzt wenig von einem Boykott, weil "generell bin ich der Meinung, dass wir für einen Boykott 10 Jahre zu spät dran sind. Also die WM wurd ja jetzt nicht dieses Jahr vergeben, sondern das ist schon paar Jahre her. Da hätte man sich überlegen müssen, ob man das ganze boykottiert. Jetzt denk ich, muss man die Gelegenheit nutzen, um einfach die Strahlkraft die wir haben, um auf diese Dinge auch aufmerksam zu machen und die Dinge klar und deutlich anzusprechen." Auch bei ihm spielt wohl dieser glaube mit, die Aufmerksamkeit würde was ändern, was wohl eher nicht der Fall sein wird.
Völlig anders wird das im hohen Norden gesehen. Der nördlichste Erstligist der Welt, der norwegische Verein Tromsø IL, fordert einen Boykott der WM in Katar. Der Vereinsfunktionär Tom Høgli von Tromsø sagte dazu: "Auch wenn wir nur ein kleiner Verein am Nordpol sind, wir müssen doch was machen, damit wir uns den Fußball wieder zurückholen. Wir können doch nicht ins Stadion gehen, wenn wir Angst haben müssen, dass die Arbeiter, die es gebaut haben, schlecht behandelt wurden. Wir wollen doch keine Sklaven im Fußball." Als erstes WM-Team kritisierte die australische Nationalmannschaft die Lage in Katar in einem Video-Statement. Das Video geht rund drei Minuten und die Spieler lesen darin eine Erklärung vor. Im Video heißt es, man hätte in den letzten Jahren viel über Katar erfahren und mit wie viel Leid das Turnier verbunden sei: "Es gibt universelle Werte, die den Fußball prägen sollten - Werte wie Respekt, Würde, Vertrauen und Mut. Wenn wir unsere Nation repräsentieren, wollen wir diese Werte verkörpern." Zusammen fordert man die Entkriminalisierung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften. Auch Dänemark stellte bereits ihre Form des Protestes vor. Das Trikot mit Ausrüster Hummel ist ganz in Schwarz gehalten. Es soll eine Art Trauerflor sein und ein Zeichen gegen die Ausbeutung von Arbeiter*innen und die dortigen Menschenrechtsverletzungen setzen. Nun wollte Dänemark die Botschaft "Human Rights for all" auf den Trainingsshirts tragen, dies wurde von der FIFA aber verboten, nach dem Motto "Menschenrechte ja gerne, aber bloß nicht in Katar" und das, obwohl in den FIFA-Statuten steht "Die FIFA bekennt sich zur Einhaltung aller international anerkannten Menschenrechte und setzt sich für den Schutz dieser Rechte ein". Auch die TSG Hoffenheim protestiert auf ihre Art gegen die WM. Der Verein gab bekannt, nicht über die WM berichten zu wollen.
Doch, wie auch in der Politik, gibt es nicht nur Kritiker, es gibt auch Pro-Katar-Stimmen im Fußball. So will Bastian Schweinsteiger Katar erstmal eine Chance geben und nicht alles schlecht reden. David Beckham sagt, Katar hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht und trotzdem nicht seine Geschichte verloren, das sei das, was für ihn zählt. Er zählt aber wohl lieber die Nullen auf seinem Konto, denn für seine Partnerschaft mit Katar, erhält der Engländer umgerechnet 180 Millionen Euro. Aber er will ja auch eine Fußballkultur dort gesehen haben, obwohl selbst Einheimische sagen, dass sich dort kaum jemand für Fußball interessiert. Auch die Sängerin Mariah Carey, der ehemalige brasilianische Profi Cafu und der ehemalige deutsche Nationalspieler Lothar Matthäus werben für die WM im Wüstenstaat. Matthäus wirbt auf Instagram sogar für einer der Apps, welche man sich als WM-Besucher herunterladen muss. Matthäus nannte im Januar die Kritik an Katar auch nur "Geplänkel der Journalisten", weil Deutschland damals ja auch kritisiert wurde. Auch Franz Beckenbauer, bei der Vergabe im Exekutivkomitee, hält nichts von der Kritik an Katar: "Ich hab' nicht einen einzigen Sklaven in Katar g'sehn! Die laufen alle frei 'rum, weder in Ketten gefesselt noch mit irgendeiner Büßerkappe am Kopf." Franz, ich erklär dir das jetzt nochmal ganz langsam. Ja, die Arbeitsmigrant*innen laufen frei herum, weil sie ohne Pass nicht fliehen können. Sie sind nicht mit Metallketten gefesselt, weil unsichtbare Fesseln sie festhalten. Ja ist das denn so schwer zu verstehen? Bis heute will Beckenbauer übrigens nicht sagen, für welches Land er 2010 stimmte. Der niederländische Ex-Profi Ronald de Boer, welcher selbst schon in Katar spielte, verharmlost in einer Talkshow sogar die Zahl der Toten. Und auch der ehemalige Bayern-Vorstand Uli Hoeneß ist auch im Team Pro-Katar, denn laut ihm geht es den Arbeiter*innen deutlich besser durch die WM. Diese Aussage ist, wie schon in Kapitel 6 ausführlich erklärt, falsch. Die Fans des FC Bayern regierten auf die Aussagen von Hoeneß mit einem Banner mit dem Text: "Staatsbesuche, Trainingslager, tausende Tote für WM-Jubel... Besser geht´s nur dem eigenen Gewissen, Uli. H.!"
Das ist aber eine gute Überleitung, wie stehen die Fans zur Weltmeisterschaft 2022?
Der Großteil der Fanszene lehnt die WM in Katar klar ab. Jede Woche sieht man in den Stadien Deutschlands Plakate gegen die WM, welche oftmals einen Boykott fordern. Auch beim Länderspiel der DFB-Mannschaft gegen Italien im Juni sah man ein Protestbanner mit der Aufschrift: "15.000 Tote für große Kulissen - FIFA und Co. ohne Gewissen!" Auch ZDF-Kommentator Oliver Schmidt, welcher die Partie kommentierte, hatte eine klare Meinung zu dem Banner: "Eine deutliche, eine wahre Botschaft. Und es ist gut, dass sie hier ihren Platz hat". Was er zu dem Zeitpunkt noch nicht wusste, war, dass dem DFB das Banner wohl gar nicht gefiel. Die Polizei setzte die Personen fest und nahm die Personalien auf, nachdem der Verband auf die Polizei zu kam.
Der Höhepunkt erreichten die Fanproteste an den letzten beiden Spieltagen der Bundesliga, 2. Bundesliga und 3. Liga vor dem Start der WM. In praktisch allen Stadien wurde gegen die WM protestiert.
Kapitel 12: Öffentlichkeitsmeinungen
Der YouTuber und Streamer GamerBrother äußerte sich in einem Livestream vor knapp zweieinhalb Jahren sehr kritisch über die WM. Es sei zwar wichtig, dass der Fußball neue Länder und Kontinente erschließe, aber er hat keinen Bock auf eine Dezember-WM: "Ich mag mich täuschen, aber ich glaube nicht, dass bei mir im Dezember WM-Feeling aufkommt. [...] Weltmeisterschaft heißt für mich, mit Kollegen, draußen, Public Viewing, Grillen, Sommer, im T-Shirt rumlaufen, geile Zeit haben, draußen halt einfach, Sommerfeeling und nicht im Winter bei minus zwei Grad irgendwie im Zimmer hocken." Mit einem Lacher stellt er sich eine WM im Winter so vor: "Schneeflöckchen Weißröckchen, wa... TOOOR! 1:0 für... wann kommst du geschneit." Vor knapp 10 Monaten sagte er dann in einem Stream, dass er die WM nicht boykottieren könne, weil er zu gerne Fußball schaut, aber eigentlich hat er gar keinen Bock auf das Turnier. In einem weiteren Stream stellte er die berechtigte Frage: "Wo sind wir angekommen, dass ne Weltmeisterschaft stattfindet und ich mich als Fan fragen muss, ob des moralisch vertretbar ist, dass ich mir das reinziehe?" Der Sänger Mark Forster sagte im Interview mit SWR3: "Ich als riesen Fußballfan werde das nicht genießen können [...] Ich möchte das nicht sehen. Das geht mit zu weit, dass eine WM in Katar stattfindet." Auch der Bassist der Sportfreunde Stiller, Rüdiger "Rüde" Linhof hält nicht viel von der WM: "Man hat total Hunger, man braucht irgendwas und kriegt so ein mies schmeckendes Gericht, aber man isst es trotzdem, weil man echt Hunger hat. Das ist die WM für mich."
Dem Schauspieler Heiner Lauterbach platzte, schon vor den olympischen Spielen in Peking, auf Instagram der Kragen: "Als bekennender Sportliebhaber und Bewunderer von Spitzensportlern und Spitzensportlerinnen fällt es mir wirklich sehr schwer, aber ich werde sowohl die Olympischen Winterspiele in Peking, als auch die Weltmeisterschaft in Katar nicht am Fernsehen verfolgen. Länder, die die Menschenrechte mit Füßen treten und Millionen Menschen verschleppen, einsperren, foltern, oder unter miserablen Bedingungen für sich arbeiten lassen, sollten keine Olympischen Spiele austragen. Schämt euch beim IOC und bei der FIFA. Schämt euch für eure Geldgier und eure Ignoranz. Und eure Kaltherzlichkeit." In den Kommentaren unter seinem Beitrag erhielt er dafür viel Zustimmung. Der Journalist Mirko Drotschmann, selbst bekennender Fan des Karlsruher SC, erklärte in einem Video, dass er die WM 2022 komplett boykottieren wird, weil es für ihn auch um Glaubwürdigkeit geht. In seinem Video spricht er einige deutsche Nationalspieler wie Neuer, Goretzka und Gnabry direkt an und fragt, wie sie es verantworten können, an diesem Turnier teilzunehmen. Auch der YouTube-Kanal schloss sich der Kritik von Drotschmann an und will die WM boykottieren. Der Komiker Oliver Kalkofe hält ebenfalls verdammt wenig von der Austragung in Katar: "Kein vernünftiger Mensch würde hier freiwillig irgendein Lebewesen Fußball spielen lassen. Gut, Gianni Infantino und Vernunft passt allerdings ungefähr so gut zusammen wie Christian Lindner und Bus fahren" und ergänzte "Das man mich als einfacher Zuschauer zwingt, dieses korrupte Kasperle-Theater des weltweiten Wahnsinns mitzuspielen und dass ich als vernünftiger und kritischer Mensch am Ende als spießiger Spielverderber hingestellt werde, der den anderen ja nicht die unschuldige Fußballfreude verderben soll, das ist die größte Sauerei der Sportgeschichte, jawohl. Wisst ihr was liebe FIFA-Fiffis, nehmt den Ball und schiebt ihn dahin, wo die Sonne nicht scheint. Ich bete jedenfalls drei Katar-Unser, wenn dieser ganze Scheiß endlich vorbei ist."
Der Sportfunktionär Andreas Rettig gab zu, dass "meine Fußballleidenschaft größer sein wird als die Vernunft" und er sich deshalb die deutschen Spiele anschauen wird. Lena Cassel, Host des Podcasts "Fussball MML Daily" sagte, dass sie jeden verstehen könne, der das Turnier boykottiert, sie selbst habe sich aber für den lauten Protest entschieden, dazu sagte sie bei Markus Lanz noch "Ab wann gucken wir denn die WM nicht mehr? Ab drei Toten? Ab 50? Ab 60? Ab 1000? Alleine, dass wir darüber reden müssen, zeigt ja, wie verkommen das System ist und wie verkommen diese Weltmeisterschaft ist." Der Tagesspiegel-Redakteur Martin Einsiedler schrieb zur WM Ende September; "Und so werden in wenigen Wochen die deutschen Multi-Millionäre in Stadien auflaufen, bei deren Bau wegen katastrophaler Arbeitsbedingungen Tausende Menschen den Tod fanden." Der SWR3-Redakteur Jakob Reifenberger schrieb zur WM an FIFA-Boss Infantino: "Lieber Gianni Infantino, bleib doch gerne in der Wüste! Wenn´ s geht für immer! Mach dir in der Gluthitze ein schönes Leben - und lass meinen geliebten Fußball in Ruhe." Der Musiker BUCCI schrieb einen Song über die WM, welcher sich an Beckenbauer und Konsorten richtet. Auch die Band "Das Lumpenpack" protestierte gegen die WM. Dazu fuhr die Band extra nach Zürich, um vor dem Hauptsitz der FIFA ihren Song "Kann es sein, dass du dumm bist?" zu spielen. Ebenfalls nach Zürich fuhr Volker-Johannes Trieb, ein Künstler aus Osnabrück, zusammen mit Verbänden der Arbeiterwohlfahrt. Doch sie hatten keinen Song im Gepäck, sondern 6500 mit Sand gefüllte Fußbälle, auf denen der Spruch "Weltgewissen, du bist ein Fleck der Schande" in verschiedenen Sprachen standen. Die Sandfußbälle wurden dann am Tag der WM-Auslosung vor der Zentrale der FIFA auf die Straße gekippt.
Doch nicht nur einzelne Personen stehen der WM kritisch gegenüber. Laut einer Umfrage aus dem Mai 2021 des Meinungsforschungsinstitutes infratest dimap, welche vom WDR beauftragt wurden, wollten 65 % der Befragten, dass die deutsche Nationalmannschaft nicht an der WM in Katar teilnimmt. Nur 26 % lehnten einen Boykott ab. Eine neuere Umfrage spiegelt ähnliche Ergebnisse wider. Im ARD Trendbarometer vom 11. November gaben nur 2 % der Befragten an, mehr Spiele der WM als früher zuschauen und 18 % genau so viele wie früher. 15 % hingegen wollen weniger Spielen schauen und ganze 56 % wollen sich kein einziges Spiel der WM anschauen. Auch bei einer Straßenumfrage von SWR3 erhielt man das Ergebnis, dass viele der WM kritisch gegenüberstehen. Manche sagten, sie wollen weniger Spiele schauen, manche kritisierten den Austragungsort, wegen der fehlenden Fußballkultur. Auch die fortschreitende Kommerzialisierung des Fußballs und der Zeitpunkt der WM werden eher kritisch gesehen. Doch was bringt ein Boykott überhaupt?
Kapitel 13: Ist ein Boykott sinnvoll?
Tatsächlich boykottieren nicht nur viele Fans das Sportevent, sondern auch Menschen, die damit Geld verdienen. Viele Bars, Cafés und Restaurants wollen die WM nicht bei ihnen zeigen, obwohl das oftmals einen großen Teil des Jahresumsatzes einspielt. Einige Kneipen bieten dafür ein Alternativprogramm an, eine Bar in Köln veranstaltet Tischkicker-Turniere, Lesungen und Filmabende. Der Geschäftsführer sagt, sie wollen einfach nicht daran mitverdienen, wenn in Katar eine WM stattfindet. Viel Lob kommt dafür von den Gästen der Kneipe. Lennart Kloehn, Besitzer der Berliner Bar "Fargo", welche auch am Boykott teilnimmt, begründet seinen Schritt so: "Seit 2006 zeige ich die WM bei mir im Laden. Mit dem Hintergrundwissen bei dieser WM geht das einfach nicht mehr mit gutem Gewissen." Eine Übersicht vieler Gastronomien, welche die WM boykottieren, findet ihr hier:
Doch nicht nur Kneipen und Cafés boykottieren Katar, auch viele Städte boykottieren Katar. Angefangen hat alles bei unseren Nachbarn in Frankreich. Die Städte Paris, Bordeaux, Lille, Marseille, Nancy, Reims, Rodez und Straßburg kündigten an, dass in den Großstädten kein Public Viewing stattfinden werde, wegen der Menschenrechtsverletzungen in Katar. "Es ist unmöglich für uns, die zahlreichen Warnungen von NGOs zu überhören, die den Missbrauch und die Ausbeutung von Gastarbeitern anprangern", begründete die Straßburger Bürgermeisterin Jeanne Barseghian die Entscheidung. Dann schwappte die Boykott-Welle nach Deutschland über. Bei uns hat den Anfang die 60.000 Einwohner-Stadt Offenburg (Ortenaukreis) gemacht. Die Stadt gab am 7. Oktober in einer Pressemeldung bekannt, dass auch in Offenburg von städtischer Seite kein Public Viewing stattfinden werde und begründet dies so: "Bekanntlich ist die Menschenrechtslage in Katar sehr problematisch, die Berichte von Nichtregierungsorganisationen zeichnen unter anderem ein schlimmes Bild vom Umgang mit Arbeitsmigrant*innen. Dies hat die Stadt zum jetzigen Entschluss geführt." Nachdem Offenburg den französischen Städten nachgezogen war, wurde es zu einem bundesweiten Thema. Schnell zogen weitere Städte nach, unter anderem Köln, Düsseldorf, Dortmund, Bochum, Frankfurt am Main, Potsdam, Kassel, Marburg, Offenbach am Main, Hanau, Karlsruhe, Baden-Baden, Freiburg im Breisgau, Rüsselsheim, Fulda, Cottbus, München, Nürnberg, Hamburg, Kiel, Hannover, Rostock, Mainz, Kaiserslautern, Ludwigshafen am Rhein und Kehl am Rhein. In Berlin wird es dieses Jahr auch keine Fanmeile am Brandenburger Tor geben. Manche Städte wollen mit ihrer Aktion tatsächlich Katar boykottieren, in anderen Städten gibt es kein Public Viewing, weil zum Beispiel die Plätze mit Weihnachtsmärkten belegt sind oder das Interesse zu gering wäre. Aber es gibt auch Städte, in denen Public Viewing wie gewohnt stattfindet, nur halt im Winter. Ein Beispiel wäre hier Wolfsburg, die Schwarz-Rot-Gold und Glühwein vereinen wollen.
Hiba Zayadin von Human Rights Watch sagte gegenüber ntv.de, dass jeder, der zur WM fährt, werde ungewollt Teil des großen Missbrauch-Prozesses von Gastarbeiter*innen.
Wir haben jetzt so viele Boykott-Aufrufe gehört, was bringt ein Boykott überhaupt noch?
Klar, ein Boykott macht die toten Gastarbeiter*innen nicht wieder lebendig, aber man kann ein Zeichen setzen. Wenn viele das Turnier boykottieren, also weder hinreisen noch im Fernsehen anschauen, kann das die Verantwortlichen treffen. Sponsoren werden sich dann beim nächsten Mal dreimal überlegen, ob sie bei so einem Turnier nochmal Werbung machen und auch die FIFA würde weniger Gewinn durch diese WM machen. Und jeder Euro, der nicht verdient wird, kann am Ende auch ganz sicher nicht in Katar landen. Doch dafür, dass ein Gianni Infantino zurücktreten muss oder die FIFA sagt, man darf eine WM nie wieder an solche Staaten vergeben, dafür wird der Boykott wohl nicht ausreichen. Andreas Rettig sagt auch, ihm sei kein sportliches Großereignis bekannt, was nachhaltig Missstände langfristig bekämpft hat.
Doch schon jetzt steht fest, dass die FIFA den Druck von außen nicht mehr ignorieren kann und in Zukunft gut abwiegen muss, ob man die WM nochmal in einen Staat vergibt, in dem Menschenrechte mit Füßen getreten werden.
Amnesty International rät sogar von einem Boykott ab, weil sie glaubt, ein Boykott würde die Rechte der Arbeiter*innen nur noch mehr schmälern, weil so keine Aufmerksamkeit mehr das Land gerichtet wäre. Doch ob sich dieses Argument halten kann, muss stark bezweifelt werden. So sagte schon Katars WM-Botschafter: "Unsere Kultur und Religion ändern sich nicht durch die Weltmeisterschaft" und der Schura-Rat, ein Beratergremium der Regierung, hat im Frühjahr 2021 schon vorgeschlagen, einige Reformen nach Turnierende wieder rückgängig zu machen. Einige wurde wohl schon wieder rückgängig gemacht. Auch Mirko Drotschmann hält es für naiv zu glauben, Katar würde an den Reformen festhalten.
Was ein Boykott genau bewirken würde, kann aktuell einfach nicht gesagt werden. Am Schluss bleibt auch jedem selbst überlassen, ob man die Weltmeisterschaft boykottiert oder nicht.
Kapitel 14: Zusammenfassung und meine Meinung
Die WM ist nun Realität. Katar wird die WM sicher als Propaganda-Show nutzen und das Event medial ausschlachten. Man wird sich weltoffen präsentieren, doch Homosexuelle werden auch nach der WM weiterhin verfolgt und Arbeiter*innen auch weiterhin schlecht behandelt. Der große Fehler lag schon bei der Vergabe im Jahr 2010. Die WM hätte aufgrund der Menschenrechtslage niemals an das Emirat vergeben werden dürfen. Auch nachhaltig wird diese WM nicht, die neu gebauten Stadien werden nach dem Turnier in der Wüste vergammeln und im Sand versinken. Auch in Brasilien und Südafrika stehen heute große Stadien in der Gegend herum um und werden kaum noch genutzt. Ein Beispiel gibt es schon jetzt in Katar. Im Januar und Februar 2015 fand in Katar die Handball-WM statt, nur wenige Monate später begann die "Lusail Multipurpose Hall" schon zu verstauben, weil sie nicht mehr genutzt wurde, von wem auch?
Klar ist, dass sich die Vergabe ändern muss. Dies hat auch die FIFA erkannt und 2017 Menschenrechtskriterien in die Vergabekriterien aufgenommen. Der DFB-Präsident Neuendorf sagt dazu, dass sich dadurch eine WM wie in Katar nicht wiederholen kann. Ob dies tatsächlich so sein wird und sich die FIFA an ihre eigenen Kriterien hält, wird die Zukunft zeigen. Auch das IOC kündigte eine Vergabe-Reform an und die Bundesregierung schrieb die Forderung, dass die Vergabe von Sportgroßveranstaltungen an die Einhaltung von Menschenrechten zu knüpfen, in den Koalitionsvertrag. Es dürfen einfach keine Großevents in Staaten wie China oder Katar stattfinden. Die Liste von Sportereignissen, welche in autoritären Staaten stattfanden, ist lang: Die Basketball-WM 2019 in China, die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi (Russland) und 2022 in Peking (China), die Fußball-EM 2021, welche zum Teil in Aserbaidschan, Ungarn und Russland ausgetragen wurde, die Handball-WM 2015 in Katar und 2021 in Ägypten, die Europaspiele 2015 in Baku (Aserbaidschan) und 2019 in Minsk (Belarus), die Asienspiele 2010 in China, 2006 in Katar und 1990 ebenfalls in China, die Winter-Asienspiele 2007 und 1996 in China und die Frauen-WM der Frauen, welche 2007, 2003 und 1991 in China stattfand. Doch auch in Zukunft sind weitere Sportevents in solchen Staaten geplant, wie die verschobenen Asienspiele 2022 in China, 2030 in Katar und 2034 in Saudi-Arabien und ab 2023 soll die Formel 1 nun, neben Saudi-Arabien, Bahrein, Aserbaidschan und den Vereinigten Arabischen Emiraten, auch in Katar gastieren. Dass jetzt noch die asiatischen Winterspiele 2029 in der Wüste von Saudi-Arabien, in einer Stadt, die bisher noch nicht einmal gebaut ist, ausgetragen werden sollen, klingt schon fast nach einem schlechten Witz. Deshalb muss dafür gesorgt werden, dass die Bewerbungen von autoritären Staaten für zukünftige sportliche Ereignisse abgelehnt werden müssen. Hier einige Bewerbungen, über welche noch abgestimmt werden:
- Die Türkei möchte die Fußball-Europameisterschaft 2028 der 2032 austragen, nachdem die Bewerbungen für die Turniere 2008, 2012, 2016 und 2024 scheiterten
- Saudi-Arabien will die WM 2030 zusammen mit Ägypten und Griechenland austragen, sowohl in Saudi-Arabien als auch in Ägypten ist die Menschenrechtslage noch schlimmer als in Katar
- Kamerun will die WM 2030 austragen, dort ist die Menschenrechtslage ebenfalls schlimmer als in Katar
- Die Vereinigten Arabischen Emirate wollen zusammen mit Israel und weiteren arabischen Staaten die WM 2030 austragen
- Russland will die EM 2028 zu sich holen
- Russland will auch die Olympischen Sommerspiele 2036 austragen
- Istanbul (Türkei) bewirbt sich ebenfalls für die Sommerspiele 2036
- Und wieder einmal will Katar ein Sportevent haben: Die Sommerspiele 2036 sollen es diesmal sein
Felix Neureuther stellte in einer ARD-Doku die Frage: "Olympische Spiele in Katar? Versteht das IOC nicht, dass wir andere Spiele brauchen? Geht es denn immer nur ums Geld?" Doch damit die Olympischen Spiele und Weltmeisterschaften nicht mehr nach China und Katar vergeben werden, muss sich nicht nur die Haltung von FIFA und IOC ändern, sondern auch die Haltung der deutschen Bevölkerung. Obwohl laut einer Umfrage 58 % der Befragten, die Einhaltung der Menschenrechte für die Vergabe von Sportevents als Kriterium "voll und ganz" befürwortet, werden Turniere hier in Deutschland oft negativ gesehen. Die olympische Bewerbung von Hamburg für 2024 wurde bei einem Volksentscheid abgelehnt, auch wegen der Angst vor hohen Kosten und auch die Münchner Bewerbung für die Winterspiele 2022 wurde per Bürgerentscheid abgelehnt. Nun bewerben sich für die Spiele 2036 einerseits Berlin, zusammen mit Tel Aviv-Jaffa (Israel) und die Rhein-Ruhr-Region, also die Städte Aachen, Bochum, Bonn, Brühl, Dortmund, Düsseldorf, Essen, Gelsenkirchen, Köln, Krefeld, Leverkusen, Mönchengladbach, Oberhausen und Recklinghausen (alle NRW) gemeinsam mit Kiel (Schleswig-Holstein). IOC-Präsident Thomas Bach begrüßte die deutschen Ambitionen bereits und auch der Deutsche Olympische Sportbund will die Olympischen Spiele wieder nach Deutschland holen. Zudem wird in eineinhalb Jahren die Fußball-EM in Deutschland stattfinden.
Doch in den nächsten Jahren geht es im Fußball um noch viel mehr. Durch die zunehmende Kommerzialisierung des Sports, ist der europäische Fußball Schlachtfeld eines Stellvertreterkrieges zwischen US-amerikanischen Investment-Firmen und asiatischen Staatsfirmen geworden. Wir, die Fans des Fußballs und auch die EU muss sich nun gut überlegen, ob man den europäischen Fußball zu einem Ausverkauf macht oder ob man dem einen Riegel vorschiebt. Ich persönlich sage, lasst uns gegen diesen Ausverkauf protestieren, ansonsten könnten sich Fans vom Fußball abwenden.
Angefangen hat der Künstler Simon Brodkin mit seinem Protest schon im Jahr 2015. Auf einer Pressekonferenz der FIFA, "übergab" er Sepp Blatter schon einmal das Schmiergeld für eine WM in Nordkorea. Was ich mir nun von den Nationalspielern wünsche, ist, dass sie ihre WM-Prämien an soziale Projekte oder gemeinnützige Organisationen spenden, so wie es der deutsche Innenverteidiger Antonio Rüdiger nun für sich ankündigte. Er will einen großen Teil seiner Prämie spenden, um damit Kinder in Sierra Leone zu unterstützen.
Der Preis für diese WM ist hoch, bezahlen müssen ihn vor allem die Arbeiter*innen in Katar. Wir müssen uns daher die Frage stellen, ob das der Sport ist, den wir wollen.
Nun zu meiner Meinung. Meiner Meinung nach wird die WM keinen Wandel bringen, da in ich mir leider sehr sicher, lass mich aber gerne vom Gegenteil überzeugen. Da ich aber trotzdem an keinen Wandel glaube, ist für mich klar, dass ich die WM in Katar weitgehend boykottieren werde. Ich bin leider so verrückt nach Fußball, dass ich mir die Spiele der Deutschen Nationalmannschaft anschauen werde, mehr aber auch nicht. Dieser "Teil-Boykott" wird sich auch auf meine Berichterstattung auswirken. In meinen "Daily News" werde ich euch nur über neue Skandale der WM und die deutschen Ergebnisse informieren, statt über alle Ergebnisse.
Ich hoffe, euch hat dieser große Katar-Bericht gefallen. Ich weiß, dass dieser Bericht noch viel ausführlicher hätte sein können. Es fehlen zum Beispiel die Themen: WM 1978 in der Diktatur Argentinien, das de facto nicht vorhandene Frauen-Nationalteam von Katar, Russland und die WM 2018 hätte noch viel ausführlicher sein können, aber ich glaube, der Bericht ist so schon sehr lange und andererseits, wäre er dann wohl aus Zeitgründen nicht mehr vor der WM fertig geworden. Trotzdem hoffe ich, der Bericht hat euch gefallen. Ihr könnt mir ja gerne über die sozialen Medien oder im Kontaktformular der Website eure Meinung zum Bericht und zu WM in Katar schreiben. Auch interessieren würde mich, ob ihr die WM boykottiert.

Die Quellen zu diesem Beitrag finden Sie im Quellendokument (Quellen Oktober - Dezember 2022).
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Zuletzt aktualisiert am 22. Januar 2024