Demonstration gegen Rechts in Offenburg
Seit Tagen finden bundesweit Demonstrationen gegen die neuen Rechten und die AfD, mit hunderttausenden Teilnehmer*innen statt, unter anderem in Gießen, Karlsruhe, Ulm, Stuttgart, Köln, Hamburg, Leipzig, Berlin, Erfurt, Koblenz, Mainz, Lippstadt, Lübeck, Stralsund, Nürnberg, Frankfurt am Main und vielen weiteren Städten, wie auch in Offenburg.

Ich hatte gestern die Chance, die Demo in Offenburg zu begleiten. Dazu aufgerufen hatten mehrere Organisationen und Parteien, zum Beispiel die Grüne Jugend, die Jusos, Verdi, die IG Metall Jugend und Aufstehen gegen Rassismus, organisiert wurde sie aber von Karl Brüderle vom Arbeitskreis Interreligiöser Dialog Offenburg und dem Offenburger Grünen-Stadtrat Aydin Özügenc. Sie rechneten bei der Anmeldung noch mit etwa 300 Teilnehmer*innen, es waren aber am Schluss über 5000 Demonstrant*innen, also fast das 17-fache. Mit dabei waren unter anderem SPD-Bundestagskandidat Matthias Katsch, Vorstandsmitglieder der Grünen Baden-Württemberg Elisabeth Schilli, Offenburgs 1. Bürgermeister Oliver Martini und der "Netzlehrer" Bob Blume. Der Startpunkt der Demo war passenderweise am Platz der Verfassungsfreunde. Von dort aus zog man dann durch die Weingartenstraße und die Grabenallee bis zum Rathaus und auf den Marktplatz in der Innenstadt. Auf dem prallgefüllten Marktplatz gab es dann eine Kundgebung mit verschiedenen Redebeiträgen.
Der erste Beitrag kam von Aydin Özügenc: "Am 25. November 2023 trafen sich Politiker der AfD und CDU mit Rechtsradikalen, um über die sogenannte Remigration zu sprechen und sie zu planen. Für diese Gruppierung bedeutet das Wort die Abschiebung von Menschen mit Migrationshintergrund. Dabei ist völlig egal, ob diese Menschen integriert sind und auch einen deutschen Pass haben. Lediglich die sogenannten assimilierten Migranten dürfen in Deutschland bleiben. Zum ersten Mal in meinem Leben als Migrant mit türkischen Wurzeln und deutschem Pass, musste ich mir Gedanken darüber machen, wo ich weiterhin leben werde, wenn es die AfD schafft, an die Macht zu kommen. Als dann unsere Tochter auch noch fragte, wo wir denn hingehen würden, wenn die Nazis uns rausschmeißen, war für uns als Familie, für mich als Vater und als Demokrat der Punkt erreicht, an dem ich handeln muss. Meine Freunde. Oftmals wird mir in Gesprächen mitgeteilt, auch von Migranten übrigens, dass die AfD ja nur die Flüchtlinge, die nicht arbeiten, abschieben möchte. Das ist ein naiver Gedanke, denn das Treffen in Potsdam und das Parteiprogramm der AfD beweisen schon lange und eindeutig, die AfD ist eine menschenverachtende, menschenfeindliche und rassistische Partei. Lassen Sie mich das hier in aller Deutlichkeit sagen: Heute ist der Flüchtling, morgen der Migrant ohne deutschen Pass, übermorgen der Migrant mit deutschem Pass, wie ich, und dann? Dann ist der Herr Schmidt oder die Frau Meier, die eine andere Meinung hat, als die AfD. Es geht hier also nicht nur um die Migranten. Es geht um unsere Freiheit, unser demokratisches Denken und um die Menschenwürde. Heute haben wir unser erstes Zeichen gesetzt. Gemeinsam sind wir aufgestanden gegen rechts. Aber das ist lange nicht ausreichend. Ich appelliere an die Bevölkerung, an die Politik, an den Verfassungsschutz, an den gesunden Menschenverstand. Lassen Sie es nicht zu, dass diese menschenverachtende Gesinnung an die Macht kommt. Wir alle sind gefordert, immer wieder darüber zu sprechen, zu informieren, Stellung zu beziehen und vor allem aufzuklären. Offenburg ist unsere Heimat. Offenburg ist eine Freiheitsstadt. Wir lassen es nicht zu, dass die Geschichte sich wiederholt." Danach bedankte er sich bei den Teilnehmer*innen, den Helfer*innen und den Einsatzkräften.
Danach hielt der 1. Bürgermeister Oliver Martini, in Vertretung für Oberbürgermeister Marco Steffens (CDU), die zweite Rede des Tages: "Wir sind am Platz der Verfassungsfreunde ja gestartet und ich glaube, es gibt kaum einen besseren Platz, wo man eine Demonstration zu diesem Zweck auch starten kann. Liebe Offenburgerinnen und Offenburger, Sie sind heute gekommen, um hier ein ganz klares Zeichen zu setzen gegen Rechtsextremismus und für Toleranz, Vielfalt und Respekt und ich glaube, das ist Ihnen damit auch gelungen. Wir bezeichnen uns ja nicht ohne Grund als Freiheitsstadt und ich glaube, wir können ganz klar und deutlich sagen: In unserer Freiheitsstadt Offenburg hat Rechtsextremismus keinen Platz. Wir sind eine Gemeinschaft, die stolz ist auf ihre Vielfalt. Die Vielfalt macht, glaube ich, uns stark und einzigartig. Wir haben in Offenburg über 130 Nationen, die zusammenleben, friedlich und freundschaftlich, und das soll auch so bleiben, und daran müssen wir einfach zusammen arbeiten. Lassen Sie uns einfach das gemeinsam tun. Das gilt für Offenburg, das gilt aber auch für unser gesamtes Land. Dass jeder Bürger, jede Bürgerin wirklich in Freiheit leben kann und auch sich sicher fühlen kann. Ich darf mich ganz, ganz herzlich bedanken, dass Sie gekommen sind. Das ist wirklich ein so klares Zeichen, und das freut mich persönlich ganz besonders.

Die nächste Rede folgte zugleich, diese kam von Karl Brüderle für den Arbeitskreis Interreligiöser Dialog Offenburg: "Demokratie, Freiheit, Menschlichkeit. Begriffe, besser gesagt Werte, von denen wir die letzten Jahrzehnte geglaubt haben, dass sie sich in unserer Gesellschaft ganz selbstverständlich verfestigen und sich auch international ausbreiten werden, da sie ja der menschlichen Vernunft entsprechen und die Würde des Menschen hoch achten. Nun aber müssen wir seit einiger Zeit erkennen, dass diese Werte aktiv verteidigt werden müssen und es nicht mehr ausreicht, wenn ihnen eine Mehrheit nur schweigend und passiv zustimmt. "Das Streben nach Frieden und Achtung des Mitmenschen, was in all unseren Religionsgemeinschaften Grundlage für ein menschenwürdiges und gottgefälliges Leben ist, wird nicht mehr selbstverständlich geteilt. Im Gegenteil breitet sich immer unverhohlener Hass, Feindseligkeit und Intoleranz gegenüber der Vielfalt menschlicher Lebensformen, der Herkunft und der Religion bahn. Jetzt, wo rechtsextreme Gruppierungen lautstark und immer aggressiver, Menschen mit ausländischen Wurzeln nicht mehr als Mitmenschen tolerieren wollen und sogar deren Vertreibung aus unserem Land propagieren, da ist es höchste Zeit dagegen aufzustehen und aktiv für Menschlichkeit, Position zu beziehen. Das machen Sie ja heute ganz offensichtlich in großer Zahl. Wir wissen natürlich auch, dass Menschlichkeit überfordert werden kann und Vertrauen auf eine vernünftige Politik der Zuwanderung. Doch ist es für das friedvolle Zusammenleben der Menschen unerlässlich, dass wir uns gegenseitig achten, uns der Not anderer öffnen und solidarisch miteinander umgehen. Dass wir solidarisch zueinander stehen, dies ist für aufgeklärte und vernünftig denkende Menschen eine Selbstverständlichkeit, wie sie auch für religiöse Menschen ein Gebot ihrer Religion ist. Darum lasst uns gemeinsam den lauten und immer frecheren Parolen solcher populistischer Demokratieverächter entgegentreten."
Die letzte Rede des Tages kam von Jenny Haas von "Aufstehen gegen Rassismus Ortenau": "Nazis machen Nazisachen! Neu ist, dass jetzt Hunderttausende zuhören. Neu ist, dass die sogenannte Mitte auf die Straße geht. Neu ist, dass Politiker auf einmal die Demokratie bedroht sehen. Woran liegt das? Was hat sich verändert? Was ist das Besondere an dem Treffen von AfD-Politikern mit Rechtsradikalen und Unternehmern in einer Villa nahe des Wannsees? Die sogenannte "Identitäre Bewegung" um Martin Sellner bewirbt seit Jahren ihr Konzept der sogenannten Remigration. In der AfD, in den sozialen Medien und in den öffentlichen Räumen. Mehrfach auch hier in Offenburg auf unserem Marktplatz. Einer, der beim Wochenmarkt ihre Flyer verteilt hat, saß für die AfD im Kreistag. Hier in der Ortenau, hier in Offenburg, mitten unter uns. Viele dieser Aktivisten sind inzwischen in der Jungen Alternative und alle haben sie engen Kontakt zu den AfD-Politikern bei uns. All das ist nicht neu. All das ist lange bekannt. Wir warnen seit Jahren vor den Gefahren dieser Aktivitäten. Weder die Verwaltung, noch die Politiker dieser Stadt, sind ernsthaft daran interessiert. Unser Oberbürgermeister von der CDU hielt sein Erscheinen auf unseren Demos für nicht nötig. Er verlasse sich auf die Zivilgesellschaft, wenn Rechte sein Rathaus stürmen, hat er gesagt. An den Geheimtreffen der Düsseldorfer Gruppe um den Nazizahnarzt haben übrigens auch Mitglieder der CDU teilgenommen. Die Deportationspläne, die dort beraten wurden, machen die von uns aufgezeigten Gefahren plötzlich für jeden jetzt ganz konkret. Das Konzept der Remigration bedeutet den Abtransport aller Ausländer aus unserer Mitte zurück in ihre Heimatländer oder nach Nordafrika. Aber auch das ist nichts Neues. Wollten doch die Nationalsozialisten die Juden nach Madagaskar deportieren. Von gewaltsamen Transporten wären jetzt aber auch Menschen betroffen, die seit Jahren bei uns leben, die seit Jahren zu uns gehören, aber migrantische Wurzeln haben. Und das betrifft etwa jeden Dritten von uns. 30 % von uns allen hier würden heute deportiert, wäre die AfD an der Macht. Und genau das ist neu. Das ist ganz konkret. Und das haben Deutsche schon einmal gemacht. Vor 90 Jahren mit ihren jüdischen Mitmenschen. 6 Millionen von ihnen haben unsere Großeltern ermordet. Beschlossen haben die Nationalsozialisten das auf der Wannseekonferenz, auf den Tag genau heute vor 82 Jahren. Aus dem Land schaffen will die AfD auch alle, die nicht in ihr Weltbild passen. Im Nationalsozialismus waren das zuerst politisch Andersdenkende, Gewerkschafter, Kommunisten, Sozialdemokraten. Heute träfe das auch mich. Schon vor Jahren sagte ein AfD-Politiker zu mir: "Du bist die Erste, die wir an der Laterne aufhängen, wenn wir an der Macht sind". Ich habe das nicht angezeigt, weil es unter vier Augen gesprochen war. Dennoch wurde es gesagt und ich habe es gehört. Und es ist nicht die einzige Bedrohung dieser Art gegen unsere Arbeit. Spätestens seit diesem Vorfall weiß ich, wissen wir, dass die AfD es ernst meint, wenn sie über soziale Medien und im Wahlkampf ihr völkisch nationales Gedankengut verbreitet, wenn sie Menschen aus unserem Land vertreiben will oder gar entsorgen will. Björn Höcke und Götz Kubitschek haben schon 2018 und früher aufgeschrieben, welche "wohltemperierte Grausamkeiten" nötig sind, damit die AfD unser politisches System umbauen kann. Weg von der Demokratie, hin zur Diktatur. Doch was können wir dagegen tun? Verlasst euch beim Kampf gegen die AfD nicht auf die Rechtsprechung und Justiz. Verlasst euch nicht auf ein Verbotsverfahren gegen die AfD oder auf Anklagen gegen einzelne Rechtsradikale, Staatsanwaltschaften stellen die meisten Verfahren ein. Die wehrhafte Demokratie, das sind wir. Wir alle tragen Verantwortung für unsere Demokratie. Wir alle müssen aufstehen gegen Rassismus, aufstehen gegen die Menschenfeinde der Neuen Rechten, aufstehen um unsere Demokratie zu verteidigen, weil unsere Politiker das nicht immer hinkriegen. Wir brauchen keinen tief betroffenen Oberbürgermeister, der aus der Stadt flieht, wenn es ungemütlich wird. Wir brauchen einen Oberbürgermeister, der sich mit uns für die Demokratie einsetzt. Unsere Demokratie verteidigen wir aber auch nicht auf publikumswirksamen Veranstaltungen wie dieser. Auch wenn heute unglaublich viele Menschen da sind. Danke dafür. Danke an jeden einzelnen, der heute Morgen aufgestanden ist und mit uns gelaufen ist. Es ist nötig, dass wir uns der AfD als Partei und auch all denen, die sie unterstützen, jeden Tag entgegenstellen. Seid wehrhaft, seid laut, schweigt nicht, schaut nicht beschämt weg. Mischt euch ein, wenn die faschistischen Wölfe im Schafspelz ihren Hass und ihre Hetze verbreiten. Überlasst ihnen nicht die Deutungshoheit. Nicht im Netz, nicht am Arbeitsplatz... Und auch nicht, wenn der komische Onkel auf der Familienfeier Lügen erzählt. Widersprecht! Mischt euch ein, wenn der AfD-Stammtisch in eurem Biergarten stattfindet. Mischt euch ein, wenn die AfD ihren Stand auf dem Wochenmarkt hat. Mischt euch ein, wenn die Lokalzeitungen rechte Parolen verbreiten. Mischt euch ein, wenn die AfD im Gemeinderat Anträge stellt. Mischt euch ein, beim Kommunalwahlkampf, wenn andere Parteien, rechte Parolen nachplappern und versuchen, Stimmen am rechten Rand zu fangen. Schaut genau ihn, seid ungemütlich. Schaut euch an, wer mit der AfD gemeinsame Sache macht. Schreibt Leserbriefe, ruft in der Redaktion an, seid ungemütlich! Die gemütlichen und beschaulichen Zeiten sind vorbei. Es geht darum, Demokratie mit allen Mitteln und aller Macht zu verteidigen. Sie ist die beste Regierungsform, die wir je hatten. Zeigen wir den Rassisten, was wir von ausländerfeindlicher Politik halten: Nämlich gar nichts! Nur so, erfüllen wir das zuletzt viel beschworene "Nie wieder" mit Leben und das ist nötig, damit es nicht zur hohlen Phrase verkommt. Nie wieder Faschismus, klare Kante gegen Rechts! Überlassen wir der AfD nicht unsere Stadt und nicht dieses Land."
Nach dieser wirklich beeindruckenden Rede, sang man noch gemeinsam die "inoffizielle Offenburger Nationalhymne", wie es der Sänger selbst ankündigte: "Die Gedanken sind frei". Danach beendet Aydin Özügenc die Veranstaltung, mit welcher ein wirklich beeindruckendes Zeichen aus der Freiheitsstadt Offenburg an die Rechten und die AfD gesendet wurde: Wir sind mehr!
Zuletzt aktualisiert am 30. Januar 2024